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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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sie. »Vater erwartet euch in der Stube.«
    Ich versuchte aus ihrem Tonfall herauszuhören, ob wir etwas zu befürchten hatten, aber sie klang nicht anders als sonst. Wir folgten ihr durch einen schmalen Gang. Der Boden des Hauses war aus dunklem Holz, die Wände aus gehärtetem Lehm und Stroh. Ich war noch nie zuvor in Josefs Haus gewesen.
    Es gab drei Zimmer, eines für die Mädchen, eines für die Jungen und eines für Josef, wie ich annahm, und eine große Stube, an deren Tür Metze stehen blieb. Die hölzernen Schlagläden der beiden Fenster waren geschlossen, im Kamin, der doppelt so groß wie der unsere war, brannte ein Feuer. Fast kniehoch war das Holz aufgeschichtet. Es war so warm, dass ich am liebsten meinen Umhang ausgezogen hätte, doch das wäre nicht schicklich gewesen, schließlich bildete seine Kapuze meine Kopfbedeckung.
    An dem langen Küchentisch, der unter dem Fenster stand, saßen Josef und seine beiden Söhne. Kerzen, die in einem geschmiedeten Halter steckten, erhellten den Raum. Ich zählte vier, eine beinahe sündige Verschwendung.
    Er gibt an , dachte ich.
    Mutter trat als Erste ein und nickte dem Mann und den Jungen an seiner rechten und linken Seite zu. »Gott zum Gruß, Josef, Adalbert, Knut. Ich hoffe, die Krankheit hat euer Haus verschont.«
    Josef nickte, erwiderte den Gruß jedoch nicht. Und er bat uns auch nicht, uns zu setzen, also trat ich ebenfalls ins Zimmer und blieb neben Mutter stehen.
    »Ich bin gestern zur Burg gereist«, begann er ohne lange Vorrede. Ich bemerkte das große hölzerne Kreuz, das über seinem Kopf an der Wand hing. »Um unserem Herrn über die Lage hier im Dorf zu berichten.« Er blickte auf seine ineinander verschränkten Hände hinab und auf seine fleischigen, groben Finger, die unablässig seine Handrücken kneteten.
    »Und?«, fragte Mutter.
    »Weißt du, was geschah, als ich die Krankheit erwähnte und das Leid, das sie über uns bringt?« Josefs Stimme klang mit jedem Wort gepresster, wütender. Knut rückte ein wenig von ihm ab, Mutter schwieg. »Er warf mich raus!«
    Josef schlug so unerwartet und laut auf die Tischplatte, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte, ebenso wie alle anderen im Raum.
    »Er hat mich rausgeworfen!« Josef schrie den Satz. Im Stall begann Gerlin zu heulen. Er schien es nicht einmal zu bemerken. »Wie ich es wagen könnte, diesen Fluch in seine Burg zu tragen, sagte er, ob Gott mir den Verstand genommen hätte, dass ich nicht wüsste, welcher Gefahr ich alle dort aussetzte. Seine Wachen h…« Josef unterbrach sich. Er atmete tief durch und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ich kann nicht erklären, warum mich diese Geste so anwiderte. »Seine Wachen«, fuhr er dann fort, »haben mich mit den stumpfen Enden ihrer Speere aus der Burg getrieben. Alle sahen dabei zu. Die Bettler vor dem Tor, die Weiber mit ihren Marktkarren, sogar Kinder haben auf mich gezeigt.« Er sah auf. Seine Augen waren feucht, aber noch liefen die Tränen nicht in seinen Backenbart. »Könnt ihr euch vorstellen, wie das war?«
    Es wurde still in der Stube. Ich trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Mutter den Schal um ihren Hals lockerte. Auch sie schwieg.
    Das Feuer knackte, Adalbert räusperte sich. »Worum es geht …«, begann er, aber Josef unterbrach ihn.
    »Ich bin noch nicht fertig!«
    »Entschuldige, Vater.«
    Josef beachtete ihn nicht weiter. »In diesem Moment der Schande hörte ich jedoch etwas, das mich nachdenklich machte. Eine der Wachen sagte, in einem anderen Dorf wären vor Monaten fast alle Einwohner diesem Fluch zum Opfer gefallen. Ein Leben in Sünde hätten sie geführt, bis der Herr sie niederstreckte. Nur zwei kleine Kinder und eine alte Jungfer sollen den Fluch überlebt haben.«
    Mutter schüttelte den Kopf. »Aber unser Fluch hat auch Jupps Kinder umgebracht. Willst du wirklich behaupten, sie hätten ein sündiges Leben geführt?«
    »Nicht sie, aber vielleicht ihre Eltern.«
    »Jupp und Anne?« Mutter lachte auf. Es klang bitter. »Das glaubst du doch selbst nicht.«
    Josef stand von der Bank auf, stützte beide Handflächen auf die Tischplatte und beugte sich vor. »Ich glaube, was meine Augen sehen und meine Ohren hören! Josef hat dich, Magda, weiterhin aufgesucht, nachdem du die Gaukler aufgenommen hattest, obwohl alle anderen im Dorf zu dir Abstand gehalten haben wegen dieses unerhörten und aufsässigen Verhaltens. Knut hat ihn auch

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