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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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verderben. Deshalb hat Gott uns die Seuche geschickt. Und jetzt behauptet Ketlin, ihr beide hättet gesehen, wie ich mich versündigt hätte. Stimmt das?«
    Else verstand nicht, was er meinte, das sah ich ihr an.
    »Er meint den Abend«, sagte ich, »als du und ich bei den Gauklern waren, so wie er auch.«
    »Ist das wahr?« Adalberts Frage klang wie eine Drohung.
    Josefs bullige Gestalt schien Else niederzudrücken. Sie presste ihre Schulter gegen den Türrahmen, als suche sie Schutz.
    Hinter ihr raschelte Stroh.
    Eine Stimme, die ich kaum noch als die vom krummen Hans erkannte, krächzte: »Was geht da vor?«
    Und dann stand er plötzlich im Türrahmen, eingehüllt in blutige, schmutzige Lumpen, eine Hand gegen die Wand gestützt. Wir alle wichen zurück. Ich hörte, wie die Menschen um mich herum erschrocken den Atem ausstießen, einige schrien sogar auf oder riefen Gott um Schutz an.
    Hans starrte uns aus blutunterlaufenen, tief in den Höhlen liegenden Augen an. Sein Gesicht, seine Hände, sein Hals und die dürre Brust waren von winzigen Blutstropfen bedeckt, die nun, da er sich erhoben hatte, langsam nach unten rannen.
    »Mein Gott«, stieß Josef hervor. Er machte einen Schritt zurück, prallte gegen seinen älteren Sohn, stolperte und fiel. Knut wollte ihm aufhelfen, aber Josef schlug seine Hand beiseite und kam taumelnd wieder auf die Beine. Hinter mir drehten sich einige um und liefen davon.
    Hans blinzelte, und seine Augen weinten blutige Tränen. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als er zu sprechen versuchte. »Wo warst du?«
    Else musste das Entsetzen auf unseren Gesichtern erkennen und das Todesurteil, das es über ihren Mann sprach. Ihre Mundwinkel zuckten, sie ließ die Kapuze los.
    »Hast du mich angelogen?«, krächzte Hans. Er hustete und spuckte Blut. Else griff nach den Brettern und begann sie vor den Eingang zu ziehen.
    »Nein«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich würde dich niemals anlügen. Komm.«
    Die Bretter rutschten über den Boden, verdeckten langsam den Eingang.
    Ich riss mich von Michael los und lief auf die Hütte zu.
    »Ketlin!« Mutter klang ängstlich.
    »Sag, dass du da warst, Else!«, rief ich in die Dunkelheit der Hütte hinein.
    »Ich war nirgendwo!«, schrie sie zurück.
    Ich stolperte und wäre beinahe gestürzt, als Michael mich an meinem Umhang zurückzog.
    »Keine Lügen mehr, Hure!«, sagte er dicht an meinem Ohr. »Ihr habt schon genug Unheil angerichtet, da braucht ihr nicht auch noch einen guten Mann der Sünde zu bezichtigen!«
    »Ich habe nicht gelogen!« Mit aller Kraft versuchte ich mich von Michael loszureißen, aber er packte mich bei den Schultern und presste seine Hüften gegen meinen Rücken.
    »Ich kann mit dir machen, was ich will«, flüsterte er.
    Hinter mir schrie Mutter, ob aus Wut, Angst oder Schmerz wusste ich nicht.
    »Weg hier!«, hörte ich Josef rufen, dann wurde ich auch schon hinter ihm hergezogen. Mutter und ich tauchten ein in die Menge.
    »Ich habe es immer gewusst«, hörte ich eine junge Frau namens Martsch sagen. Als Kinder hatten wir zusammen am Weiher Frösche gefangen. »Vor Jahren hätte man sie schon aus dem Dorf jagen sollen, dann wäre es nie so weit gekommen.«
    »Recht hast du«, sagte eine andere Stimme, die ich nicht zuordnen konnte.
    Wir stolperten die Straße entlang, festgehalten von kräftigen Händen und angetrieben von den Beschimpfungen der Menge.
    »Was machen wir jetzt mit ihnen, Vater?«, fragte Knut. »Kommen sie in den Kerker?«
    »Der Kerker ist in der Burg, du dämlicher Ziegenbock«, sagte Adalbert. Er und sein Bruder gingen hinter uns. »Und der Herr lässt sie da nicht rein. Wir sind auf uns allein gestellt, kein Kerker, kein Richter.«
    »Ich werde richten.« Ich hörte den Stolz in Josefs Stimme und den Triumph.
    »Dazu hast du nicht das Recht«, sagte Mutter. »Nur der Fronherr darf einen Prozess führen. Er wird dich hinrichten lassen, wenn du es dir anmaßt, seine Stellung einzunehmen.«
    Josef war mit einem Schritt bei ihr. Seine Hand schloss sich um ihr Gesicht und zwang sie ihn anzusehen. Sie versuchte auszuweichen, aber Jörg hielt ihre Arme fest.
    »Der Fronherr wird mich belohnen für diese Tat. Er sagte: Wag es nicht, hier wieder zu erscheinen, bevor der Fluch nicht von deinem Dorf genommen ist. Genau das werde ich heute tun.«
    »Und wie?«, rief ich.
    Michael rammte mir sein Knie in den Rücken. »Sei still!«
    Josef ließ Mutters Gesicht los. Seine Finger hatten weiße Striemen

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