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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Mit einer Hand presste er seinen Umhang vor Mund und Nase.
    »Was machst du da?«, fragte ich verwirrt.
    »Ich muss gehen. Meine Freunde warten. Und ihr solltet besser auch gehen.«
    Als er die Tür öffnete, musste ich die Kerze mit meinem Körper schützen, sonst wäre sie ausgegangen.
    »Weißt du, was er hat?«, rief Mutter hinter Richard her, aber er zog wortlos die Tür zu.
    Anne sah Mutter an. »Woher soll der Gaukler wissen, was Jupp hat?«, fragte sie. »Er kennt ihn doch kaum.«
    »Man kann nie wissen.«
    Jupp stöhnte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie seine jüngste Tochter über den Boden auf ihn zukroch und sich an ihn kuschelte. Sie war noch keine fünf Jahre alt.
    »Ist Papa krank?«
    Anne nickte. »Ja, aber Magda wird ihm helfen. Du musst keine Angst haben.«
    Ich drehte mich zu den anderen beiden Kindern um, die eng nebeneinander im Stroh schliefen. Der Ältere arbeitete als Knecht für Josef, der Jüngere half seinem Vater auf dem Feld und im Steinbruch.
    Mutter stand auf und wischte sich Jupps Schweiß von den Händen. »Du musst seine Stirn kühlen, Anne, am besten die ganze Nacht oder bis er wieder bei klarem Verstand ist. Ich werde einen Sud aufsetzen, der das Fieber senken und ihm Kraft geben wird.«
    Anne ließ die Hand ihres Mannes los, ergriff Mutters und küsste sie. »Wie soll ich dir nur danken? Wir haben doch nichts, was wir dir geben könnten.«
    »Ihr könnt mir im Sommer helfen, die Beeren zu ernten.« Mutter zog ihre Hand weg und nickte mir kurz zu. Ich nahm die Kerze vom Boden, stand auf und ging zur Tür. »Vergiss nicht, was ich gesagt habe, Anne. Das Fieber muss sinken, also achte darauf, dass du ihn kühlst. Und die Kinder sollen für ihn beten. Mit Gottes Hilfe geht es ihm bestimmt bald besser.«
    »Ja, Magda. Danke.«
    Wir verließen die Hütte. Ich blies die Kerze aus und atmete die kalte, klare Nachtluft tief ein.
    Mutter zog den Umhang eng um ihre Schultern. »Du kannst mir helfen, den Sud aufzusetzen, bevor du schlafen gehst. Und morgen werde ich mit Richard über Jupps Krankheit reden.«
    »Glaubst du wirklich, dass er etwas weiß?«
    »Du hast doch gesehen, wie schnell er verschwunden ist. Natürlich weiß er etwas. Diese Gaukler und Schausteller reisen durchs ganze Land, sie sehen mehr als anständige Leute.«
    Ich hoffte, dass das stimmte und dass Richard uns helfen würde, Jupp von seiner Krankheit zu befreien. Vielleicht würde das die Leute im Dorf endlich davon überzeugen, dass ihnen die Gaukler nichts Böses wollten.
    Doch als wir am nächsten Morgen zur Scheune gingen, um mit Richard noch vor unserem Gang zum Krankenlager zu sprechen, waren die Gaukler verschwunden.
    Jupp starb am nächsten Abend, und zwei Tage später waren auch Anne und ihre drei Kinder krank.
    Und mit ihnen das halbe Dorf.

Kapitel 5
    Jeden Morgen nach dem Füttern und Melken der Ziegen ging ich zur alten Scheune. Die Gaukler hatten nichts zurückgelassen außer den tief eingegrabenen Spuren ihrer Karren im vereisten Boden. Am ersten Tag war ich ihnen bis aus dem Dorf hinaus gefolgt, hatte gehofft, sie einzuholen, aber sie mussten noch in der Nacht geflohen sein.
    Dass es eine Flucht gewesen war, bezweifelte ich längst nicht mehr. Richard musste gewusst haben, welcher Fluch das Dorf befallen würde, deshalb hatte er es so schnell verlassen. Wenn ich abends einschlief, stellte ich mir vor, wie er in unser Haus kam, meine Hand ergriff und mich zu seinem Karren führte.
    »Komm, Ketlin«, sagte er dann, »ich bringe dich fort von hier, an einen Ort, an dem es kein Fieber gibt.«
    Wenn ich morgens aufwachte, schalt ich mich für diese närrischen Gedanken, aber sie ließen mich nicht los.
    Ich zog das Tor der Scheune auf und ging hinein. Auf den Balken lag ein wenig Schnee, und es roch nach feuchtem Stroh. Die Ecke, in der die Gaukler sich eingerichtet hatten, war noch gut zu erkennen. Sie hatten die Wände mit Brettern und Lehm abgedichtet und das Stroh zu einem großen Lager aufgeschichtet.
    Ich setzte mich hinein und dachte an Anne, die in ihrer Hütte lag, umgeben von ihren drei letzten Kindern. Mutter hatte Umhänge über den Leichen ausgebreitet, weil niemand sonst es wagte, die Hütte zu betreten. Mich hatte sie fortgeschickt, als ich ihr hatte helfen wollen.
    Wir wussten nicht, wie die Krankheit hieß, die wie ein Floh von einem zum anderen sprang. Selbst die alte Erika konnte sich an nichts Vergleichbares erinnern.
    Und nun war auch der krumme Hans erkrankt. Else erzählte allen, sie

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