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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ihnen beweisen, dass wir besser sind als sie.«
    »Ich muss nichts beweisen!« Mit einem Schritt war ich bei der Tür und versuchte sie aufzuziehen, aber jemand musste den Strick draußen festgebunden haben, denn sie bewegte sich nicht.
    Mutter stand nun ebenfalls von der Küchenbank auf und kam zu mir. »Lass sie nicht wissen, dass du Angst hast. Schenk ihnen nicht auch noch diesen Sieg.«
    »Wir müssen hier raus.« Ich ging an ihr vorbei und stieß die Tür zum Hinterzimmer auf. Rauch drückte sich unter dem Fenster hindurch ins Innere. Ich schob den Vorhang beiseite. Der Rauch stach in meine Augen, als ich aus dem Fenster sah, doch bevor ich den Kopf zurücknehmen musste, entdeckte ich das Heu, das an den Wänden aufgeschichtet worden war. Sie mussten es aus dem Stall geholt haben, und Michael wusste ja auch, wo die Mistgabeln und Schubkarren standen. Es glomm und qualmte, fing aber noch nicht richtig Feuer. Durch die Schneefälle war es feucht geworden.
    »Huren!«, rief Josef von draußen. Ich nahm an, dass er vor der Tür stand, denn vor dem Fenster hatte ich niemanden gesehen. »Der Prozess wurde euch gemacht, das Urteil ist gefällt. Im Namen des Herrn und im Namen von Christian, Herr von Burg Siegburg und aller umliegenden Ländereien, verkünde ich, dass eure Körper dem Feuer überantwortet werden, damit es eure Seele von all den Schandtaten reinigen kann, die ihr im Bund mit dem Teufel begangen habt.«
    »Brennen sollt ihr!«, schrie Knut. Sein meckerndes Lachen brach ebenso plötzlich ab, wie es begonnen hatte.
    Ich öffnete den Deckel der Truhe, steckte den Geldbeutel in meinen Gürtel und nach kurzem Zögern auch den Brief mit dem Siegel des Bürgermeisters, den Mutter in Leinen geschlagen hatte. Er bewies, dass wir die rechtmäßigen Besitzer unseres Landes waren.
    Als ich den Deckel schloss, sah ich, dass Mutter im Türrahmen stand. Grauer Rauch umwehte sie. »Was machst du da?«
    »Ich nehme das Nötigste mit. Wir müssen fliehen.« Ich riss das dünne Leinentuch von unserer Strohmatratze und drängte mich an Mutter vorbei. Erst als ich in die Stube trat, bemerkte ich, wie stickig und heiß es geworden war. Die Flammen trockneten das Stroh. Schon bald würde es nicht nur brennen, sondern lodern.
    »Der Strick wird schneller verbrennen als das Holz.« Ich hockte mich hin und stopfte das Tuch in den Eimer mit Trinkwasser, der neben dem Kamin stand. »Niemand wird damit rechnen, dass wir zu fliehen versuchen.«
    »Und das werden wir auch nicht!« Mutter drehte sich zu mir um. Der Rauch ließ sie husten. »Sie werden uns nicht brennen sehen und nicht schreien hören. Wir sterben in Würde.«
    Ich drückte das Leinentuch fest in den Eimer, drehte es, damit es sich vollsaugen konnte. »Wir werden nicht brennen. Michael ist doch vor ein paar Jahren unter einem nassen Tuch durchs Osterfeuer gesprungen, und das war viel größer.«
    Der Rauch begann sich an der Decke zu sammeln. Ich hörte das brennende Stroh knistern.
    »Wir gehen nach Coellen«, sagte ich. »Zu Vater. Er wird uns helfen, so wie er es immer getan hat.«
    »Nein!« Mutter trat mir so fest gegen die Schulter, dass ich zu Boden ging und den Eimer mitriss. Wasser ergoss sich über meine Beine und Stiefel. Das Leinentuch klatschte auf den Lehm.
    »Was tust du denn da?«, schrie ich.
    Mit einem Schritt war Mutter bei mir. Sie hockte sich neben mich und presste mir eine Hand auf den Mund. »Kein Wort, Ketlin. Sie sollen nicht hören, dass wir streiten und schreien. Du wirst nicht wie ein Teufel durch die Flammen springen, und sie werden nicht hinter dir herrennen und dich mit Knüppeln erschlagen wie eine Ratte. Sie werden nicht über dich lachen. Niemals. Diesen letzten Dienst muss ich dir als Mutter erweisen.«
    Ihr Blick war entschlossen, ihre Hand drückte so fest gegen meinen Mund, dass meine Zähne mir in die Lippe schnitten. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass der Vorhang am Fenster Feuer gefangen hatte.
    Mit beiden Händen schlug ich Mutters Arm beiseite. Sie verlor das Gleichgewicht und ging neben mir zu Boden. Ich sprang auf und hustete. Der Rauch wurde immer dichter, die Luft schmeckte so bitter, dass ich sie kaum noch atmen konnte. Flammen hüpften an der Tür entlang, leckten mit gelben Zungen an Ritzen und Astlöchern. Die ersten erreichten bereits das Dach, krochen immer schneller werdend über die Seile, fraßen Hanf, Kräuter und Holz. Wir hatten nicht mehr viel Zeit.
    Ich wischte mir über die brennenden Augen. »Mutter, bitte,

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