Die Nonne und der Tod
Karren durchsuchten. Der Bauer musste für sie einige Fässer und Kisten öffnen, dann winkten sie ihn weiter. Den nächsten Karren schickten sie nach kurzer Diskussion zurück. Umständlich wendete ihn der Bauer, bevor der nächste zum Tor rollen konnte.
Gertrudt schüttelte den Kopf. »Sie werden uns nicht reinlassen, das sehe ich ihnen an. Deren Laune ist so schlecht heute Morgen, die kann nur Münzen aufbessern.«
Ich dachte an den Pfennig in meinem Geldbeutel. Für mich würde er schon bald keine Bedeutung mehr haben, mein Vater hatte sich mein Leben lang um mich gekümmert, und das würde sich auch nun nicht ändern. Ich zog den Beutel heraus, öffnete ihn und nahm den Pfennig heraus.
»Hier«, sagte ich zu Gertrudt. »Damit die Wache uns reinlässt.«
Ihre Augen weiteten sich, als sie die Münze sah. Rasch legte sie ihre Hand darauf, befürchtete wohl, ein anderer könne sie sehen.
»Das ist viel zu viel«, flüsterte sie.
»Dann gib ihnen einen Viertelpfennig oder einen halben; der Rest ist für euch. Ihr habt mir geholfen, nun helfe ich euch.« Die Worte fühlten sich gut an, wie etwas, das eine herrschaftliche Frau sagen würde.
Doch Gertrudts Miene verdunkelte sich. Sie zog ihre Hand zurück. »Wenn du uns helfen willst, dann gib einen Viertelpfennig für die Wache und behalte den Rest. Wir brauchen keine Almosen.«
Ich verstand ihre Verärgerung nicht, kam ihrem Wunsch jedoch nach und zerbrach die Münze an den dafür vorgesehenen Stellen. Ein Viertel gab ich ihr, den Rest steckte ich wieder in den Beutel. Gertrudt nahm das Geld, ohne mir dafür zu danken. Danach warteten wir schweigend.
Zwei mit Körben beladene Familien schickten die Soldaten vor uns weg, eine dritte ließen sie passieren. Dann rollte unser Karren an das Tor heran. Die Soldaten waren zu fünft. Vier standen um ein Kohlefeuer herum, der andere kam auf uns zu. Er war groß, schlaksig und sehr jung. An seinem Kinn wuchs Flaum, aus dem kein Bart werden wollte.
»Was habt ihr geladen?«, fragte er, ohne zu grüßen.
Fritz neigte den Kopf. »Sauerkraut, Äpfel und Pökelfleisch, Herr. Und ein wenig Holz.«
Der Soldat grunzte und ging langsam um den Karren herum. Dorlein, die daneben stand, senkte ebenfalls den Blick, während Gertrudt und ich ihn aus den Augenwinkeln beobachteten.
»Leg die Münze neben dich«, flüsterte die alte Frau. Ich tat es.
Der Soldat klopfte mit seinem Speer gegen eines der Fässer. »Was für Fleisch habt ihr gepökelt?«
»Schwein, Herr.«
»Also nicht die Oma?« Er lachte über seinen Witz und sah zu seinen Kameraden herüber, hoffte wohl auf deren Aufmerksamkeit. Sie beachteten ihn nicht.
»Nein«, sagte Gertrudt, »die sitzt hier oben.«
Dieses Mal lachten die Männer rund um das Kohlefeuer.
Der junge Soldat verzog das Gesicht. »Du hast Glück, dass du bei so einem Mundwerk so alt geworden bist. Denk darüber nach, während ihr …« Er unterbrach sich, als sein Blick auf den Viertelpfennig neben mir fiel. Dann räusperte er sich, stieg auf die Deichsel und warf einen Blick auf die Ladefläche. Wie zufällig stützte er sich mit der Hand am Kutschbock ab. Als er sie wegzog, war die Münze verschwunden. »Aber ich will mal nicht so sein. Fahrt weiter.« Er sprang zu Boden und klopfte mit dem Speer auf eines der Räder. »Los.«
Über den vereisten Boden rumpelte der Karren in die Stadt. Wir hatten so lange gewartet, dass die Sonne bereits aufgegangen war und mir den Rücken zumindest ein wenig wärmte. Es würde ein schöner Tag werden. Kaum eine Wolke stand am Himmel.
Auch Gertrudt sah nach oben, als wir das Tor und die Mauer hinter uns ließen. »Bei so einem Wetter werden viele auf den Markt kommen. Wir haben Glück, dass wir eingelassen wurden.«
Nein, wegen mir wurdet ihr eingelassen, nicht weil ihr Glück hattet , dachte ich. Ihre Zurechtweisung verwirrte und ärgerte mich immer noch. Ich verstand nicht, was ich in ihren Augen falsch gemacht hatte, aber ich ahnte, dass sie mir diese Frage nicht beantwortet hätte.
»Verdammt viel Glück«, sagte Fritz. Ich war mir nicht sicher, wie viel er mitbekommen hatte.
Die Gassen Coellens waren eng, die Häuser hoch und schmal. Überall bewegten sich Menschen, und sie alle schienen es eilig zu haben. Ab und zu konnte ich durch einen Spalt einen Blick auf den Dom erhaschen. Wie eine riesige, zu Stein gewordene Kröte hockte er zwischen den Häusern. Kein Turm verzierte ihn, kein Glockenklang ging von ihm aus. Als wir näher herankamen, sah ich,
Weitere Kostenlose Bücher