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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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kehrte er an sein eigenes Feuer zurück.
    Das wenige Holz, das wir aufgeschichtet hatten, brannte rasch nieder. Als die Glut erkaltete, kletterte Fritz auf die Ladefläche, und wir legten uns ins Zelt. Es war so eng, dass wir uns gegenseitig wärmten.
    Ich ahnte, dass Dorlein und Gertrudt gern mehr von meiner Geschichte gehört hätten, aber ich war zu müde zum Lügen und tat deshalb so, als schliefe ich direkt ein.
    Irgendwann war es tatsächlich so.
    Ich träumte von Richard in dieser Nacht und schämte mich dafür.

Kapitel 7
    Es war noch dunkel, als Gertrudt mich weckte. »Komm«, sagte sie leise. »Wir sollten am Tor sein, wenn es öffnet. Dann sind die Wachen noch müde und nicht auf Streit aus.«
    Ich streckte mich, schlug den Umhang zurück, in den ich mich eingewickelt hatte, und kroch aus dem Zelt. Dorlein stand bereits draußen und spannte zusammen mit Fritz den Ochsen vor den Karren. Der Atem stand uns allen vor dem Gesicht. Es war kalt.
    Die Bilder meines Traums verwehten nur langsam. Es war ein schönes Gefühl gewesen, Richard wiederzusehen, ich hatte weder an seine feige Flucht noch an den Diebstahl gedacht. Wir hatten wieder in der Stube gesessen und uns auf Latein unterhalten; ich wusste nicht mehr worüber, nur dass ich mir selbst erstaunt zugehört hatte, weil ich es so gut sprach. Auf der Küchenbank hatte niemand gesessen. Nur darunter hatte ich etwas gehört, ein Kratzen und Keuchen, aber jedes Mal, wenn ich versucht hatte, Richard darauf anzusprechen, kam ein anderer Satz heraus. Ich war froh, dass Gertrudt mich geweckt hatte, bevor ich einen Blick unter die Bank werfen konnte.
    Wir bauten das Zelt ab und verstauten es auf der Ladefläche. Um uns herum erwachte die Zeltstadt. Ich musste eine Weile an Stadtmauer und Graben entlanggehen, bevor ich eine Stelle fand, an der ich mein Morgengeschäft unbeobachtet verrichten konnte.
    Dann brachen wir auf.
    Die Sonne färbte den Horizont erst ganz allmählich rot, trotzdem standen schon Menschen und Karren vor dem geschlossenen Stadttor. Die meisten hatten das Gleiche mitgebracht wie Fritz und seine Familie: Pökelfleisch, Sauerkraut, Zwiebeln und die letzten Äpfel des Vorjahres. Sie waren weich und mehlig, aber zum Mus taugten sie noch, wenn man nicht allzu wählerisch war. Dorlein bot mir einen Apfel an, aber ich lehnte ab.
    Fritz brachte den Karren am Ende der kurzen Schlange zum Stehen. Ein paar Bauern drehten sich um und musterten uns kurz, grüßten jedoch nicht. Sie alle wirkten müde und mürrisch.
    »Wann wird das Tor geöffnet?«, fragte ich. »Bei Sonnenaufgang?«
    »Wann auch immer die Wachen den Befehl dazu bekommen.« Fritz setzte sich auf die Deichsel des Karrens und gähnte. »Aber ja, meistens bei Sonnenaufgang.«
    Ich sah nach vorn. Das gewaltige eisenbeschlagene Tor war höher als zwei ausgewachsene Männer und so breit, dass vier Karren nebeneinander hindurchpassten. Die Mauern, die es umgaben, waren noch höher und wurden immer wieder von Wehrtürmen unterbrochen.
    Auf einem Turm sah ich einen Soldaten mit Brustplatte und Helm. Er stützte sich auf einen Speer und sah zu uns herunter. Dann straffte er sich und hob den Arm.
    »Tor auf!«, rief er.
    In die Schlange kam Bewegung. Diejenigen, die gesessen hatten, standen auf, wer bereits stand, bewegte sich nach vorn. Ich hörte Ketten rasseln, dann schwang ein Flügel des Tors laut knarrend nach innen. Soldaten strömten heraus, bevor einer hindurchschlüpfen konnte. Mit den stumpfen Enden ihrer Speere trieben sie die Bauern zurück.
    »Bildet eine Reihe, verdammt noch mal!«, rief eine raue Männerstimme. »Ihr macht das doch nicht zum ersten Mal, oder?«
    Fluchend und nörgelnd versuchten die Bauern seinen Befehl auszuführen. Unmittelbar vor dem Tor brach zwischen zweien ein Streit aus, den die Soldaten mit ihren Speeren niederknüppelten. Einer der Männer stand wieder auf, der andere blieb liegen und wurde zur Seite gezogen. Der Korb, den er auf dem Rücken getragen hatte, war zerbrochen; Äpfel rollten über den Boden, einige fielen von der Brücke in den stinkenden Morast des Stadtgrabens. Kinder liefen zwischen den Erwachsenen hindurch und sammelten sie auf.
    Als die Soldaten zufrieden ihre Speere aufrichteten und eine Gasse bildeten, setzte sich die Schlange langsam in Bewegung, Ganze drei Schritte konnte Fritz neben seinem Ochsen hergehen, bis er wieder anhalten musste.
    »Das wird eine Weile dauern«, sagte er.
    Vom Kutschbock aus sah ich, wie die Soldaten den ersten

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