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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Feuern wurde getrunken, geflucht und gelacht. Kinder liefen umher, schmutzig und barfuß trotz des Schnees.
    Ich raffte meinen Umhang zusammen. »Ist es denn hier sicher?«
    »Das sind anständige Leute so wie du und ich.« Gertrudt zog eine Plane von der Ladefläche des Karrens. »Du musst dir keine Sorgen machen.«
    »Also gut, dann danke ich euch.«
    Meine Antwort kam so zögernd, dass die beiden Frauen lachten, während Fritz nur den Kopf schüttelte.
    Gemeinsam bauten wir das Zelt auf. Es war klein, bot gerade mal genug Platz, dass man zu dritt eng nebeneinander liegen konnte. Ich nahm die Schaffelle vom Kutschbock, um sie auf dem Boden auszubreiten, aber Gertrudt nahm sie mir ab und legte sie auf die Ladefläche zwischen die Fässer. »Fritz wird hier oben schlafen«, sagte sie.
    »Wenn das wegen mir ist, würde ich gern den Platz mit ihm tauschen. Ihr habt schon genug getan.«
    »Es ist nicht wegen dir«, sagte Fritz. Er kletterte auf die Ladefläche und legte einen langen Knüppel neben die Felle. »Sind nicht alle hier so anständig wie wir.«
    Wir schichteten ein kleines Feuer auf und teilten das restliche Brot miteinander. Es war hart und alt, aber ich tat so, als äße ich es mit Genuss. Als wir fast fertig waren, tauchten zwei zerlumpte Jungen auf und fragten, ob sie sich an unserem Feuer wärmen könnten. Ich rückte bereits zur Seite, um sie Platz nehmen zu lassen, doch Fritz vertrieb sie mit einer unwirschen Handbewegung. Die Jungen, sie konnten nicht älter als zehn sein, wandten sich wortlos ab und gingen weiter.
    »Richtig so«, sagte ein Mann, der ein Stück entfernt mit einer größeren Gruppe am Feuer saß. »Wird immer schlimmer hier draußen. Bettler, Diebe und Halsabschneider. Und die Wachen tun nichts dagegen.«
    »Gar nichts«, bestätigte ein anderer.
    Eine Frauenstimme kam hinzu. »Auf den Anständigen wird eben immer herumgetrampelt. Letzte Woche erst haben sie hier einen Bauern erschlagen und sein Vieh gestohlen, und was haben die Wachen gesagt? ›Hätte er eben aufpassen müssen.‹«
    »Denen in der Stadt kriechen sie in den Arsch, aber uns …« Der erste Mann, ein ungewöhnlich großer, grobschlächtig wirkender Bauer, spuckte ins Feuer. »Immer das Gleiche.«
    »Ist das wirklich wahr?«, fragte ich. »Jemand wurde erschlagen?«
    »So wahr ich hier sitze«, sagte der Bauer. Er stand auf und kam zu uns herüber. Mit dem Kinn deutete er in die Dunkelheit. »Da hinten haben sie ihn gefunden. Den Kopf haben sie ihm zertrümmert. Der war so flach wie meine Hand. Hab’s mit eigenen Augen gesehen.«
    Mir wurde übel.
    Gertrudt legte mir die Hand auf den Arm. »Nimm das nicht zu ernst«, sagte sie leise.
    Der Bauer hockte sich hin und wärmte seine Hände am Feuer. »Wo kommt ihr her?«
    »Troisdorf«, sagte Fritz. Ich nickte.
    »Dann kriegt ihr ja kaum mit, was hier passiert. Wenn du arm bist, lassen dich die Wachen tagelang hier sitzen, Diebesgesindel und Totschläger hin oder her, aber wenn du ihnen was zusteckst, bist du schneller drin als ein …« Er suchte nach dem richtigen Vergleich, zögerte und gab auf. »Du bist halt schnell drin. Alle dürfen vor uns rein. Händler, Gaukler …«
    Ich sah auf. »Gaukler?«
    Der Bauer schien sich über die Unterbrechung zu freuen, zeigte sie doch, dass ihm jemand zuhörte. »Ja. Einen ganzen Trupp haben sie gestern reingelassen.«
    »Hast du sie gesehen?«
    »Natürlich. Ich stehe ja den ganzen Tag hier rum und sehe meinen Äpfeln beim Faulen zu.«
    In meinem Magen begann es zu kribbeln. »Hatten sie einen Affen dabei?«
    Der Bauer runzelte die Stirn. »Was soll denn das sein?«
    »Ein kleines Tier, das wie ein behaarter Mensch aussieht.«
    Dorlein begann zu lachen. »So was gibt es doch gar nicht!«
    Ich wollte widersprechen, aber der Bauer ließ mich nicht zu Wort kommen. »Klingt wie Teufelszeug.« Er stand auf. »Nichts für ungut, Bruder, aber du solltest auf deine Tochter besser aufpassen. So ein Gerede bringt nur Unglück.«
    »Das ist nicht …«, begann Fritz, aber ein kurzer Blick von Gertrudt hielt ihn davon ab, den Satz zu beenden, und so räusperte er sich und sagte: »Du hast recht. Mit Gauklern will ein anständiger Mensch nichts zu tun haben.«
    Erwartungsvoll sah mich der Bauer an. »Das stimmt doch, Schwester, oder?«
    Ich nickte. »Sie betrügen jeden, der ihnen begegnet.«
    Die Antwort gefiel ihm sichtlich. Es machte ihm offensichtlich Freude, anderen Ratschläge zu geben. Er unterhielt sich noch ein wenig mit uns, dann

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