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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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rühren. Das Wasser färbte sich langsam grau.
    »Du bist durchtriebener, als ich dachte«, sagte sie. »Eine alte Frau so auszunutzen, ihr vorzugaukeln, dass du ein Leben in Demut führen willst, nur um dich vor einem ungeliebten Dienst unter meiner Aufsicht zu drücken, das hätte ich selbst von dir nicht erwartet.«
    Das Plätschern, Klopfen und Lachen um mich herum schien auf einmal leiser zu werden, so als stünden Johannita und ich unter einer unsichtbaren Glocke. Ich spürte meinen Herzschlag bis in die Schläfen.
    »Mutter Immaculata denkt nicht wie du.« Es fiel mir immer noch schwer, Johannita zu duzen, aber wir waren Schwestern und hatten uns als solche anzureden.
    »Wie ich schon sagte, eine alte Frau lässt sich leicht täuschen.« Sie sah mich an. »Glaub nur nicht, dass wir anderen darauf hereinfallen. Alle wissen, dass du dich vor deiner Pflicht drückst, dass du tust, was du willst, und keinen Sinn für die Gemeinschaft dieses Ordens hast. Du bist zu einer Ausgestoßenen geworden, Ketlin. Niemand mag dich.«
    Ihre Worte waren spitz wie Pfeile. Ich musste daran denken, was die Äbtissin gesagt hatte. Trotzdem widersprach ich.
    »Das ist nicht wahr. Ich …«
    Johannita ließ mich nicht ausreden. »Ich spreche von denen, die zählen, nicht von einer Konversin wie Agnes oder einem leichtgläubigen kleinen Mädchen wie Benedikta. Du denkst vielleicht, dass Maria auf deiner Seite ist, aber sie versteht, aus welcher Richtung der Wind weht, wenn du weißt, was ich meine.«
    Ich wusste es nicht, und sie sah es in meinem Blick.
    Ihr Kopfschütteln wirkte ebenso bedauernd wie überheblich. »Kind, glaubst du denn, dass alles immer so bleiben wird, wie es ist? Eine andere wird bald auf die alte Frau folgen, die jetzt noch ihre schützende Hand über dich hält. Und dann wirst du sehen, dass Ungehorsam und Unehrlichkeit zu nichts führen.«
    Sie rührte die Wäsche mit solchem Schwung um, dass das Wasser beinahe über den Rand des Bottichs schwappte.
    Ich hatte nie darüber nachgedacht, was geschehen würde, wenn Mutter Immaculata starb. Die Vorstellung, dass Johannita die nächste Äbtissin werden könnte, traf mich mit aller Härte.
    »Ich habe niemandem von den Stunden erzählt, die du mir gegeben hast«, sagte ich leise. Eine andere Verteidigung fiel mir nicht ein.
    Johannita sah sich kurz um, als hätte sie Angst, man könnte uns belauschen. »Und deshalb wird man dich auch nicht auf die Straße setzen, wenn sich die Dinge einmal ändern. Aber man wird sehr genau darauf achten, welche Pflichten du zu erfüllen und welche Privilegien du dir entgegen deines Gehorsamsgelübdes erschlichen hast.« Ihr Blick wirkte auf einmal angewidert. »Gott allein weiß, was du dort draußen in diesem Wald treibst.«
    Ich wollte die Holzstange in meinen Händen nehmen und sie Johannita ins Gesicht schlagen, doch stattdessen rammte ich sie mit solcher Macht in den Boden des Bottichs, dass sie zerbarst. »An deiner Stelle würde ich mich lieber fragen, was in diesem Kloster getrieben wird!«
    Johannitas Augen weiteten sich.
    Ich fuhr herum und verließ den Hof.

Kapitel 17
    Ich bereute meine Worte bereits auf der Treppe nach oben. Als ich in meiner Zelle ankam, wünschte ich, ich könnte die Zeit zurückdrehen und ungeschehen machen, dass ich diesen verderblichen Satz ausgesprochen hatte. Wütend trat ich gegen den Schemel neben dem kleinen Holztisch, auf dem ich so lange die Pergamente abgekratzt hatte. Er rutschte ein Stück über den Boden und fiel um.
    »Soll ich später wiederkommen?«
    Ich drehte mich erschrocken um. Benedikta stand in der Tür, einen Fuß zurückgesetzt, als wäre sie bereit zur Flucht.
    »Nein. Ich habe mich nur über mich selbst geärgert.« Ich stellte den Schemel wieder hin und bat Benedikta mit einer Geste einzutreten.
    »Ich habe deine Kleidung aufgehängt«, sagte sie. »Bei dem guten Wetter ist sie bestimmt morgen Abend trocken.«
    »Danke.«
    Ich setzte mich auf die Matratze, sie auf den Schemel. Sie wollte über etwas sprechen, das sah ich ihr an, aber sie schien sich nicht zu trauen.
    »Hast du gehört, was ich zu Schwester Johannita gesagt habe?«, fragte ich.
    Benedikta lächelte schüchtern. »Alle haben es gehört. Es war sehr laut.«
    Ich schluckte und verfluchte mich im Stillen ein weiteres Mal.
    »Johannita ist vom Hof gestürmt, als wäre der Teufel selbst hinter ihr her«, fuhr Benedikta fort. »Sie ist bestimmt schon bei der ehrwürdigen Mutter.«
    »Das befürchte ich

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