Die Nonne und der Tod
zu konzentrieren, was er sagte, und gleichzeitig darüber nachzudenken, was ich darauf antworten konnte, ohne dumm zu klingen.
Jacob missverstand mein Zögern. »Das ist eine sehr gute Anstellung. Du hast doch bestimmt schon von Erasmus gehört, oder?«
Ich hob die Schultern. »Ich komme nicht viel herum.«
»Oh, natürlich. Verzeih.« Er räusperte sich, und ich erkannte auf einmal, dass er ebenso verlegen war wie ich. Der Gedanke beruhigte mich.
»Du musst dich nicht entschuldigen«, sagte ich mit erwachender Selbstsicherheit. »Es gibt Nonnen, die oft in der Stadt sind, aber wir Zisterzienser gehören nicht dazu.«
Er sah mich von der Seite her an. »Hast du dich deshalb für diesen Orden entschieden?«
»Entschieden wäre das falsche Wort. Ich hatte nicht die Wahl.«
»Ja.« Es klang, als wüsste er genau, wovon ich sprach.
»Apotheker ist ein sehr ehrbarer Beruf.« Der Waldrand und die Felder dahinter kamen näher. Ich ging langsamer.
»Wenn ich nur etwas darüber lernen würde.« Jacob trat nach einem Tannenzapfen. »Ich bitte meinen Meister ständig, mir zu erklären, welche Pulver und Tinkturen er für welchen Zweck herstellt und aus welchen Bestandteilen, aber was macht er? Schickt mich zu seinem Schneider, um eine neue Hose abzuholen, oder auf den Markt, um Wein zu kaufen. Und wenn er gar nichts mit mir anzufangen weiß, sagt er, ich soll in die Stadt gehen und ihn in Ruhe lassen. Ich glaube, er hat mich nur in die Lehre genommen, damit er das Geld meiner Eltern kassieren kann.« Er blieb stehen. »Weißt du, dass ich von dir mehr gelernt habe als von ihm?«
Ich blieb stehen und sah ihn an. Er war fast einen Kopf größer als ich. Die Schatten der Blätter fielen über seine grünen Augen. »Was meinst du damit? Ich habe dir nichts beigebracht.«
»O doch. Wenn du Kräuter pflückst, achte ich darauf, was du mitnimmst und was du stehen lässt, und so mache ich es dann auch. Meister Erasmus besitzt einige Schriften über Pflanzenkunde. Wenn ich nach Hause komme, suche ich in ihnen jedes Mal nach den Kräutern, die ich mitgebracht habe. Die meisten finde ich zwar nicht, aber die, die ich anhand der Beschreibungen benennen kann, sind immer nützlich.« Er lachte. Es ließ ihn jünger klingen, als er war, unbeschwert und offen. »Ich wünschte, ich könnte bei dir in die Lehre gehen und nicht bei diesem aufgeblasenen Pfau.«
Die Vorstellung, Mutter Immaculata Jacob als meinen Lehrling vorzustellen, brachte mich ebenfalls zum Lachen. »Dein Meister mag ein Pfau sein, aber meine Äbtissin sieht aus wie eine Kröte.« Ich blies Luft in meine Wangen und breitete die Arme aus, um zu zeigen, wie dick sie war. »Und sie geht wie eine Ente.«
Unser Lachen vereinte sich. Ich lauschte ihm nach, als es verklang, es erschien mir schöner als die Hymnen beim Gottesdienst.
Gottesdienst!
Ich sah erschrocken zum Himmel. »Verdammt.« Jacob blinzelte überrascht, aber ich entschuldigte mich nicht für den Fluch. »Ich verpasse die Vesper, wenn ich mich nicht beeile.«
Ich begann zu laufen, er holte auf und begleitete mich zum Waldrand. Bevor wir auf das Feld hinauskamen, hielt er an.
»Ich warte, bis du weg bist«, sagte er. »Aber ich würde dich gern wiedersehen, um … mehr über Heilpflanzen und Kräuter zu lernen.«
Mühsam riss ich mich zusammen, erlaubte mir nur ein kurzes und – wie ich hoffte – unverbindliches Lächeln. »Wenn es sich ergibt, hätte ich nichts dagegen.«
Er neigte höflich den Kopf und bog einige Zweige beiseite, die mir den Weg versperrten. »Dann hoffe ich, dass es sich ergeben wird.«
Ich ging an ihm vorbei, begann erst zu laufen, als ich sah, dass kein Bauer in meiner Nähe arbeitete.
Plötzlich fiel mir etwas ein. Ich drehte mich um. »Aber nicht morgen«, rief ich in den Wald hinein. »Am Sonntag darf ich das Kloster nicht verlassen.«
»Dann am Montag«, rief er.
Ich grinste, weil ich mir sicher war, dass er es nicht sehen konnte. »Wenn es sich ergibt.«
Ich lief den ganzen Weg zurück bis zum Kloster, kam verschwitzt und atemlos dort an. In einer Regentonne im Hof wusch ich mir das Gesicht und wischte es an meiner Schürze ab. Die Glocke zur Vesper schlug, als ich die Treppe hinaufging, gemessenen Schrittes und mit dem gefassten Gesichtsausdruck, den ich mir zurechtgelegt hatte, damit niemand meine Ernsthaftigkeit in Zweifel ziehen konnte. Ich wäre nicht die erste Novizin, die wegen so etwas getadelt wurde.
Doch meine Gedanken waren alles andere als gefasst. Kaum
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