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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Perser, und die Wundärzte bei uns würde man in Konstantinopel nicht einmal an einen Ochsen lassen.« Er riss den Grashalm ab und warf ihn in den Teich. »Daraufhin bat ich meinen Vater, mich nach Konstantinopel zu schicken. Er lachte mich aus und besorgte mir eine Lehre als Apotheker. Hat ihn viel Geld gekostet, aber er hätte es ebenso gut in den Rhein werfen können. Ich lerne nichts in dieser verdammten Lehre, mein Meister bringt mir einfach nichts bei.«
    Ich rückte näher an ihn heran. Er wirkte auf einmal so enttäuscht wie an dem Tag, an dem ich ihn weggeschickt hatte. »Du kannst immer noch nach Konstantinopel.«
    »Ich habe kein Geld für die Reise, geschweige denn für die Lehre, und ich kann nichts, was einen Arzt dazu bringen würde, mich umsonst auszubilden. Nach dem Ende meiner Lehre kann ich froh sein, wenn Erasmus mich einstellt. Jeder andere Apotheker würde sofort merken, dass ich zu nichts tauge.«
    Er griff nach dem Weinschlauch neben sich und nahm einen kräftigen Schluck. Dann reichte er ihn mir. Auch ich trank. Der Wein war süß und schwerer, als ich gewohnt war.
    »Dann bilde ich dich aus, so wie wir gesagt haben.«
    Es sollte ein Scherz sein, aber Jacob setzte sich auf und grinste. »Darauf habe ich gehofft. Fang an. Was ist das für eine Blume in deiner Tasche?«
    Ich zog das Tuch, in das ich sie eingeschlagen hatte, vorsichtig aus meiner Kräutertasche und schlug es auf. Darin lag eine unscheinbar aussehende weißgelbe Blume.
    »Das ist Mutterkraut«, begann ich und zählte auf, wofür man es verwendete und wann man es besser nicht einsetzte. Das tat ich dann nacheinander auch bei den anderen Pflanzen in meiner Tasche.
    Wir redeten und tranken. Jacob stellte viele Fragen, keine einzige davon dumm. Er wusste mehr, als er glaubte, und ich bemerkte, mit welcher Leidenschaft er lernen wollte.
    »Das kann ich niemals behalten«, sagte er schließlich. Er wollte einen Schluck Wein nehmen, doch der Schlauch war leer.
    »Ich kann es dir so oft erklären, wie du willst.«
    »Das würde mir gefallen.«
    Ich drehte den Kopf und sah ihn an – und erst in diesem Moment bemerkte ich, dass sich unsere Schultern berührten.
    Auch er sah mich an, und dann beugte ich mich auf einmal vor und küsste ihn.
    Er schmeckte nach süßem Wein und Sommer. Ich spürte, wie er seine Arme um mich legte und mich zu sich herunterzog. Das Gras war weich und trocken. Mit einer Hand griff ich nach meiner Haube, riss sie mir vom Kopf und ließ sie einfach fallen. Ich seufzte, als ich den Wind in meinen kurzen Haaren spürte.
    Jacob schien zurückweichen zu wollen, aber ich hielt ihn fest. »Hör nicht auf«, flüsterte ich. Meine Lippen berührten seine Wange, küssten Bartstoppeln und fanden seinen Mund, während seine Hand über mein Bein strich und Rock, Schürze und Unterkleid langsam nach oben schob.
    Er wurde zu meiner Welt und ich zu seiner.
    »Kommen wir jetzt in die Hölle?«
    Ich hätte beinahe gelacht, aber dann begriff ich, dass Jacob es ernst meinte. Wir lagen im Gras, nackt, uns gegenseitig in den Armen haltend, und sahen in den hellblauen Himmel über uns.
    »Vielleicht. Ich weiß es nicht.«
    »Aber du hast deine Profess doch noch nicht abgelegt, oder?« Er klang besorgt.
    Ich schüttelte den Kopf. »Anfang nächsten Jahres hätte ich das tun sollen.«
    Ich wählte meine Worte mit Bedacht, was ihm nicht entging.
    »Hätte?«, fragte er.
    »Seit ein paar Wochen bin ich mir nicht mehr sicher, dass das der richtige Weg für mich ist.«
    Ein Gefühl der Erleichterung überkam mich, als er meine Hand drückte und mich ansah. »Ich auch nicht.«
    »Dann lass uns gehen, jetzt sofort!« Ich setzte mich auf. Der Drang wegzulaufen und nie wieder zurückzublicken, war plötzlich übermächtig in mir. »Ich suche mir eine Anstellung irgendwo in der Stadt oder verkaufe Kräuter auf dem Markt oder …«
    Seine Finger auf meinen Lippen brachten mich zum Schweigen.
    »Ich bin ein Lehrling«, sagte Jacob. »Ich lebe von dem, was mein Meister mir zukommen lässt, und das ist eine Mahlzeit am Tag, zwei am Sonntag. Selbst wenn du eine Anstellung fändest, könnten wir uns nicht einmal ein Dach über dem Kopf leisten.«
    »Dann bitte Erasmus, mich einzustellen.«
    »Ich habe dir doch gesagt, wie er ist. Er schlägt seine Diener, er schlägt mich, und wenn er getrunken hat, verstecken sich die Mägde, damit er sie nicht anfasst. Niemals möchte ich dich in diesem Haus sehen.« Er stützte sich auf die Ellenbogen. »Wirf nicht

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