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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ihnen gegenüber.
    »Wann macht ihr denn auf?«, rief ein Mann, der seinen Handkarren abgestellt hatte. »Wir haben zu arbeiten!«
    »Wir auch.« Der Kommandant der Wache nickte zwei Soldaten zu und ließ sich von ihnen auf ein Fass heben. »Alle mal herhören!«, rief er dann. Die Menge sah zu ihm hinauf, die Unterhaltungen verstummten. »Auf Anordnung des Rates der Stadt Coellen ist ab sofort das Betreten und Verlassen der Stadt nicht mehr gestattet!«
    »Was?«, schrie der Mann mit dem Karren.
    »Zu diesem Zweck«, rief der Kommandant über den aufbrausenden Lärm hinweg, »bleiben die Tore geschlossen! Die Wachen haben Befehl, jeden zu töten, der versucht, die Mauern zu überwinden!«
    Ich trat näher heran. Um mich herum schrien Menschen dem Kommandanten ihre Wut und Verwirrung entgegen.
    »Wir haben Felder zu bestellen!«
    »Was ist mit meinen Geschäften?«
    »Mein Sohn kommt morgen zurück. Wo soll er denn hin?«
    »Wie lange wird das dauern?«, rief ich.
    Vielleicht lag es an meiner Nonnentracht, dass der Kommandant antwortete: »So lange, bis die Seuche weitergezogen ist, Schwester.«
    »Die Seuche?« Ich hörte den Schrecken in der Stimme der Magd neben mir.
    Der Kommandant nickte. »Ihr könnt froh sein, dass der Rat die Stadt abriegelt. Dort draußen gibt es ganze Dörfer, in denen kein Mensch mehr lebt.« Er richtete seinen Blick auf mich. »Bete für uns, Schwester, damit wir verschont bleiben.«
    Einige bekreuzigten sich. Ich drehte mich um. Meine Beine bewegten sich, ohne dass ich über meinen Weg nachdachte, meine Gedanken waren leer.
    »Du hast es also gehört?«, fragte Agnes, als sie mich wieder einließ. »Schwester Ursula hat es mir gerade erzählt. Sei froh, dass du nicht draußen warst, als sie die Tore geschlossen haben, sonst könntest du jetzt sehen, wo du bleibst.«
    Tränen stiegen mir in die Augen.
    Agnes runzelte die Stirn. »Was ist denn los?«
    »Nichts.« Mehr brachte ich nicht hervor.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Agnes. »Das geht schneller vorbei, als du denkst.«
    Ich nickte. In diesem Moment drängte sich alles in mir danach, ihr zu erzählen, woher meine Tränen rührten, doch ich schwieg und ging zurück in meine Zelle.
    Alle sprachen über die Seuche. Mutter Immaculata unterbrach sogar die Sext, um uns davon zu erzählen und zu erklären, was die Schließung der Tore zu bedeuten hatte.
    »Wir haben ausreichend Vorräte innerhalb unserer Mauern«, sagte sie. »Bis die aufgebraucht sind, werden die Tore längst wieder geöffnet sein. Aber wir dürfen nicht nur an uns denken, sondern auch an die Armen und was die gegenwärtige Lage für sie bedeutet. Sobald wir eine genaue Aufstellung all unserer Vorräte vorgenommen haben, werden wir im Hospital mit Armenspeisungen beginnen.«
    Die Nonnen hörten sichtlich besorgt zu. Einige beteten lautlos den Rosenkranz. Ich schloss mich ihnen an, weil es nichts gab, was ich sonst hätte tun können.
    Als die Tür mit einem Knall aufflog, zuckten alle zusammen. Ich fuhr herum – und meine Augen weiteten sich.
    Benedikta stolzierte – ein anderes Wort gab es dafür nicht – in die Kapelle. Sie war barfuß und trug nichts außer ihrem Unterkleid, das sie mit einem Strick unter ihren Brüsten zusammengerafft hatte, sodass wir alle ihren vorgewölbten, prallen Bauch sehen konnten. Unter der weiten Tracht war er nicht aufgefallen, trotzdem fragte ich mich, wie wir ihn je hatten übersehen können. Sie sah aus, als stünde sie kurz vor der Geburt.
    Einige Nonnen wandten den Blick ab. Ich zog meinen Umhang aus und trat aus der Bank heraus, um Benedikta darin einzuhüllen.
    »Komm«, sagte ich, aber sie stieß mich mit ausgestreckter Hand zur Seite.
    »Seht das Werk Gottes!«, schrie sie. »Seht es und frohlocket!«
    Wie ein Gaukler, der seinen Zuschauern ein besonderes Spektakel zeigen will, ging sie an den Bänken vorbei, drehte sich mal in die eine, mal in die andere Richtung, um allen ihren Bauch zu präsentieren. »Gottes Saat geht in mir auf! Frohlocket und freut …«
    »Jetzt reicht es!« Mutter Immaculata hämmerte mit ihrem Stock auf den Boden. »Bringt sie weg, sofort!«
    Mehrere Nonnen sprangen auf, darunter Ysentrud und Ursula, und auch Schwester Johannita stemmte sich hoch und sagte: »Ich hole Vater Pius. Er soll ihr den Teufel austreiben.«
    Die Nonnen ergriffen Benediktas Arme. Sie wehrte sich nicht, sondern ließ sich beinahe willenlos von ihnen aus der Kapelle führen. Als sie an mir vorbeiging, sah ich die Angst in ihren

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