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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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weg, was du hast. Im Kloster bist du sicher, und wir haben noch über ein halbes Jahr, bevor wir uns entscheiden müssen. Wer weiß, was sich bis dahin ergibt.«
    Ich hörte Hoffnung in seiner Stimme und lächelte. »Konstantinopel?«
    Er erwiderte mein Lächeln, aber es wirkte traurig. »Ich dachte eher an eine kleine Apotheke in Worms, weit weg von deinem Vater und meinem Meister. Dazu werde ich aber deine Hilfe brauchen.« Sein Lächeln wurde breiter, fröhlicher. Er griff nach meiner Kräutertasche. »Was macht man noch gleich mit Mutterkraut?«
    Ich sagte es ihm, und nach und nach, während wir im Gras lagen und redeten, ließ der Drang nach, sofort auf und davon zu laufen. Jacob hatte recht. Wir mussten uns nicht an diesem Tag entscheiden, nicht einmal in diesem Monat oder diesem Jahr. Ich würde Novizin bleiben, würde weiterhin das Stundenbuch einhalten und nach der Benediktinerregel leben. Zumindest in der Zeit, in der ich mich im Kloster befand. Es gab keinen Grund zur Eile.
    Und so trafen wir uns weiterhin heimlich im Wald. Wir redeten, wir küssten uns, wir schliefen einander bei. Ich achtete auf den Zyklus des Mondes, so wie es mir Else beigebracht hatte, nachdem es ihr eine der alten Frauen im Dorf erklärt hatte.
    Es kam mir vor, als würden wir beide, Jacob und ich, auf etwas warten, als hielte unser Leben die Luft an, bis wir den Weg gefunden hatten, auf dem wir weitergehen wollten.
    So schien es bis zu jenem Tage, da Jacob mich verließ.

Kapitel 20
    »Zwei Wochen«, sagte er, »vielleicht drei, aber bestimmt nicht mehr.«
    Eine Ewigkeit, dachte ich, aber es hätte albern geklungen, das auszusprechen. Also setzte ich mich ins Gras, an unserem Platz am Teich, und atmete tief durch. »Und wohin schickt dich Erasmus?«
    Jacob ließ sich neben mir nieder und zog die Knie an. »Nach Worms, zu meinem alten Apotheker. Die beiden kennen sich schon seit langem, deshalb habe ich die Lehre hier in Coellen überhaupt bekommen.« Er sah auf den Teich hinaus. Ein Reiher stakste am Ufer durch das Schilf. »Ich soll dort Apothekergefäße und eine Waage kaufen und noch ein paar Kleinigkeiten. Sie haben sich die Lieferung geteilt, aber wegen der Seuche kommt sie wohl jetzt nicht mehr weiter.«
    Ich spürte einen Stich. »Die Seuche ist in Worms?«
    Jacob ergriff meine Hand. »Mach dir keine Sorgen. Ich werde vorsichtig sein. Und vielleicht kann ich den alten Ruland ja davon überzeugen, dass er mich anstellen soll, wenn meine Lehre vorbei ist.« Seine Worte klangen angestrengt, beinahe wie eine Lüge.
    Schon in den Tagen zuvor hatte ich bemerkt, dass ihn etwas bedrückte, nun wusste ich, was es war. Er wusste, dass die Seuche in meinem Dorf gewütet hatte, was sie für meine Mutter und mich bedeutet hatte. Ich verstand, dass er gezögert hatte, mir zu sagen, wohin er gehen musste.
    »Drei Wochen«, sagte ich leise. »So lange kann ich warten.«
    Er lächelte und küsste mich.
    Wir machten das Beste aus den Stunden, die uns blieben. Auf Jacobs zerschlissenem Umhang lagen wir im Gras und liebten uns. Ich hatte Angst, ihn gehen zu lassen, und jedes Mal, wenn er von mir abzurücken schien, zog ich ihn wieder an mich heran.
    Am Ende, als die Sonne schon über den Bäumen im Westen stand, umarmten wir uns nur noch still.
    »Drei Wochen. So lange kann ich warten«, wiederholte er schließlich, was ich Stunden zuvor gesagt hatte. »Und dann treffen wir uns wieder hier.«
    Ich lächelte unwillkürlich. »Wenn es sich ergibt.«
    Er lachte.
    Wir zogen uns an und gingen so langsam zum Waldrand, dass ich selbst dann nicht mehr pünktlich zur Vesper gekommen wäre, hätte mich ein Schwarm Krähen zum Kloster geflogen. Es war mir egal.
    »Komm zurück«, sagte ich, als wir uns verborgen hinter Sträuchern ein letztes Mal in den Armen lagen. »Lass mich nicht allein.«
    Er küsste mich. »Nur drei Wochen.«
    Ich löste mich aus seiner Umarmung und trat auf den Weg hinaus, ging zurück zum Kloster, mit seinem Geschmack auf den Lippen und seinem Geruch in meiner Kleidung.
    Das Abendessen begann gerade, als ich das Refektorium betrat. Schwester Johannita schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Seit Benediktas Schwangerschaft ließ sie mich in Ruhe, so als kreisten all ihre Gedanken nur noch um das ungeborene Kind.
    Wieder huschte mein Blick zu dem kleinen Tisch, an dem die Novizin stets allein saß. Auch ich setzte mich nicht mehr zu ihr. Sie war mir unheimlich geworden. Auch an diesem Abend aß sie allein. Sie musste den Löffel mit

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