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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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sah ich im Geiste vor der Taverne sitzen und über die Stadtobersten schimpfen. Es war der Soldat mit der Narbe.
    »Wenigstens lasse ich mir nicht von meinem Weib befehlen, für was ich meinen Sold ausgebe.«
    Die Stimmen kamen näher.
    Der Soldat mit der Narbe knurrte. »Komm schon. Sie muss hier irgendwo sein.«
    Diese letzten Worte trafen mich wie ein Schlag gegen den Kopf. Waren die Soldaten wegen mir in diese Gasse gekommen? Sie klangen nicht so, als wollten sie mir die Papiere bringen, die mir von Wallnen versprochen hatte. Also hatte er sie geschickt, um mich … Was? Zu töten? In den Kerker zu werfen? Aber mit welcher Begründung?
    Ich schüttelte den Kopf, versuchte meine Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Die Soldaten waren vor mir, verborgen hinter einer Biegung, die die schmale Gasse beschrieb. Ich drehte mich um und ging den Weg zurück, den ich gekommen war. Meine Sandalen erzeugten kaum einen Laut auf der festgestampften Erde, also begann ich zu laufen. Ratten wichen mir aus, Fliegen stiegen in Schwärmen auf, wenn ich vorbeilief. Die Gasse schien kein Ende nehmen zu wollen, eine Biegung folgte auf die nächste.
    Und dann stand ich plötzlich vor einem Soldaten.
    Er sah mich im gleichen Moment wie ich ihn. Seine Augen weiteten sich. Ich taumelte zurück und wäre beinahe gestürzt, als meine Beine sich im Stoff des Kleides verfingen.
    »Hier ist sie!«, rief der Soldat. Hinter ihm tauchte ein weiterer auf. Die Gasse war zu schmal, um an ihnen vorbeizukommen, also fuhr ich herum und lief zurück. Mit den Fäusten schlug ich an jede Tür, die ich erreichen konnte. »Hilfe! Helft mir doch!«
    Ich blieb nicht stehen, um darauf zu warten, dass jemand öffnete, aber nur wenige Schritte später hörte ich hinter mir Holz knarren.
    »Was ist hier los?«, fragte ein Mann mit autoritärer Stimme.
    »Wir sind im Auftrag des Rates hier, also halt dich raus!«, antwortete einer der Soldaten.
    Ich lief weiter, während hinter mir weitere Türen geöffnet wurden und Menschen aufgeregt miteinander zu reden begannen.
    Ich war schneller als die Soldaten, aber ich wusste, dass sich die anderen beiden irgendwo vor mir befanden. Ich entdeckte sie schließlich auf einem geraden Stück. Der mit der Narbe zeigte in meine Richtung, dann setzten sich er und sein Kamerad in Bewegung, nicht schnell, sondern gemessenen Schrittes, wohl wissend, dass ich nicht entkommen konnte.
    »Mach es dir nicht schwerer, als es sein muss, Mädchen!«, rief einer der Soldaten hinter mir.
    »Was hat sie denn getan?« Die Frauenstimme kam von irgendwo über mir. Niemand antwortete ihr.
    Das Klappern und Schnaufen wurde leiser. Die Soldaten hinter mir ließen sich nun ebenfalls Zeit. Zugleich nahm das Gerede und Rufen in der Gasse zu. Jeder wollte wissen, was geschah. Dann – endlich! – öffnete sich eine Tür ein Stück vor mir, und eine junge Frau trat heraus. Ihr Blick fiel auf mich, und sie wich zurück, als ahnte sie bereits, was geschehen würde.
    Sie war nicht schnell genug. Ich brauchte nur zwei Schritte, um die Tür, die sie gerade zuschlagen wollte, zu erreichen. Mit dem Fuß stieß ich gegen das Holz, sodass die Tür gegen die Wand schlug, und sprang ins Haus. Hinter mir fluchte der Soldat mit der Narbe laut.
    Die Frau duckte sich und hielt sich beide Hände schützend über den Kopf. »Tu mir nichts!«, schrie sie.
    Wir standen in einer kleinen Stube. Ich sah einen Tisch, mehrere Stühle und drei leere Strohlager.
    Es gab zwei Fenster auf der anderen Seite der Stube und eine kleine verriegelte Holztür. Ich lief darauf zu und zog den Riegel zurück, riss die Tür auf und lief in den Hinterhof, den sich mehrere Häuser teilten. Soldaten hämmerten gegen die Eingangstür, die Frau schrie erschrocken auf.
    Mein Herz schlug so schnell, dass ich kaum atmen konnte. Schweiß stand mir auf der Stirn. Hektisch sah ich mich auf dem Hof um, entdeckte einen großen Kessel, der über einem kleinen Holzkohlefeuer hing. Dampf stieg daraus auf. Der Gestank nach Blut ließ mich würgen.
    Ich lief an abgekochten Schweineschädeln vorbei, die sich in Holzkisten stapelten. Knochensplitter knackten unter meinen Sohlen. Ich hörte die Stimmen der Soldaten im Haus. Der Hinterhof war klein, aber in der gegenüberliegenden Mauer, zwischen Fässern, über denen Fliegen kreisten, gähnte eine dunkle Öffnung. Sie war breit genug für einen Karren, und ich hoffte und betete, dass über diesen Weg die Tiere zur Schlachtung gebracht wurden und er nicht im

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