Die Nonne und der Tod
Pforte und sprachen mit Schwester Johannita und Mutter Immaculata. Es konnte kein Zufall sein, dass sie in dieser Nacht zum Kloster gekommen waren. Ich wusste, dass es um mich ging.
Aber warum?, dachte ich, während ich zurückging und in eine Gasse einbog, die zur anderen Seite des Klosters führte. Es war kein Verbrechen, die Novizinnentracht abzulegen und einen Orden zu verlassen, solange man noch nicht geweiht war. Und meine Liebschaft zu Jacob war zwar eine Sünde, für die ich irgendwann einmal büßen würde, aber kein weltliches Verbrechen. Es musste um etwas anderes gehen.
Ich lief an der Mauer entlang, bis ich den Obsthain erreichte. Die Wurzeln und Äste der Kirschbäume hatten das Mauerwerk an einigen Stellen beschädigt und Steine nach außen gedrückt und zerbrechen lassen. Ich nahm mein Kleid in beide Hände, zog es hoch und band es mit dem Strick, der meine Schürze hielt, zusammen. Dann kletterte ich an den Vorsprüngen nach oben und schwang mich über die Mauerkrone. Der Boden unter mir war dunkel. Ich konnte nicht sehen, ob dort etwas lag, aber ich nahm meinen Mut zusammen und sprang.
Ich landete in weichem Erdreich, stolperte über eine Wurzel und fing mich dann wieder. Zweige knackten unter meinen Sohlen.
Es roch nach Gras und süßem Obst. Ich löste den Knoten, der mein Kleid gehalten hatte, und ließ es bis über meine Knöchel fallen. Mein Atem wurde langsamer, und ich entspannte mich. In den Gärten kannte ich mich aus. An diesem Ort gab es nichts, vor dem ich Angst haben musste.
Die schwarzen Umrisse eines Werkzeugschuppens tauchten zwischen den Bäumen auf. Ich ging darauf zu, öffnete die Tür und schlüpfte hinein. Schwester Agnes und ich hatten ihn erst vor kurzem mit einigen Konversinnen gebaut, und er roch immer noch nach frisch gesägten Brettern und Harz.
Ich ließ die Tür offen stehen, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Eine Schaufel, eine Harke und ein paar leere Fässer, mehr war in dem Schuppen nicht untergebracht. Für mich blieb genügend Platz.
Bevor ich die Tür zuzog, warf ich noch einen Blick nach draußen. Wie ein düsteres Gebirge ragten die Klostergebäude in den Himmel. Kein Licht erhellte die Fenster, kein Laut drang aus ihren Mauern zu mir in den Garten. Die Menschen darin kamen mir vor wie Verschüttete, begraben unter Tonnen von Regeln und Stein.
Nie wieder, dachte ich, als ich die Tür schloss. Nie, nie wieder.
Die Nacht war warm und der Boden weich, trotzdem fand ich kaum Schlaf. Bei jedem Glockenschlag schreckte ich hoch, überzeugt davon, eine Andacht zu verpassen oder zu spät zum Gottesdienst zu kommen. Schwester Johannita verfolgte mich in meinen Träumen in der Uniform eines Soldaten und dem Schleier einer Nonne, und immer wieder hörte ich von Wallnens Stock auf Kopfsteinpflaster pochen.
Als das erste graue Licht des neuen Tages durch die Ritzen des Schuppens drang, schlug ich den Umhang zurück, der mir als Decke gedient hatte, und setzte mich auf. Ich zog Müdigkeit den wirren Träumen vor.
In dem Schlauch, den ich am Vortag gefüllt hatte, war noch etwas Bier. Ich trank es und aß dazu den letzten Rest Brot und eine der Zwiebeln, die mir die Schmuggler hinterlassen hatten. Dann stand ich auf und sah durch einen der Spalten nach draußen.
Frühnebel hing zwischen den Bäumen und über dem Gras. In der Kapelle läutete die Glocke und forderte die Nonnen auf, zur Laudes zu gehen.
Ich warf mir den Umhang über und setzte die Kapuze auf. Eine günstigere Zeit, um nach etwas zu essen zu suchen, gab es nicht. Die Arbeit in den Gärten begann erst nach der Laudes, selbst die Konversinnen, die nicht zum Küchendienst eingeteilt waren, durften solange ruhen.
Die Tür knarrte, als ich sie öffnete. Frische feuchte Luft kühlte mein Gesicht und vertrieb die Müdigkeit. Geduckt lief ich durch den Garten, achtete darauf, nahe der Bäume zu bleiben und dem Schlafsaal der Konversinnen mit seinen vielen Fenstern nicht zu nahe zu kommen. Wie eine Diebin schlich ich zu den Kellern, dessen Türen direkt in den Garten mündeten. Es war ein seltsames Gefühl, ein wenig aufregend, ein wenig lächerlich, fast so wie ein Kinderspiel, für das man eigentlich schon zu alt war.
Die erste Tür, die ich zu öffnen versuchte, war nicht verriegelt, so wie ich erwartet hatte. Dahinter befand sich ein kleiner Raum, an dessen Wänden Holzkörbe für die Obsternten standen. Ich trat durch die Tür am Ende des Raums in einen schmalen Gang. Die Kapelle
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