Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Nichts enden würde.
    Ich überquerte den Hof, als der erste Soldat das Haus verließ.
    »Sie haut ab!«, rief er.
    Dann tauchte ich auch schon in die Gasse ein. Das letzte graue Tageslicht erreichte ihren Boden nicht mehr, und so stolperte ich durch Unrat und Ungeziefer von einem Hinterhof zum nächsten. In einem sah ich Schweine, die eingepfercht in einen viel zu kleinen Holzkäfig auf ihre Schlachtung am Morgen warteten. Sie schrien wie Menschen in höchster Bedrängnis, als ich an ihnen vorbeilief. In anderen hing der Qualm von Räucherkammern und brachte mich zum Husten. Und überall waren Ratten, lebende und tote, mehr als ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte.
    Immer wieder drehte ich mich um. Ab und zu glaubte ich eine Bewegung in der Dunkelheit zu bemerken, aber ich hörte die Schritte der Soldaten nicht mehr, nur noch meinen pochenden Herzschlag und keuchenden Atem.
    Endlos zog sich der Weg hin. Einmal endete er plötzlich an einer Mauer, und ich musste ein Stück zurückgehen, bevor ich die Abzweigung bemerkte, die ich verpasst hatte. Meine Schritte wurden langsamer, ich war zu erschöpft, um noch weiterzulaufen. Ich blieb stehen, wartete, bis sich mein Atem beruhigte, und lauschte in die Dunkelheit.
    Ich hörte nichts außer den Geräuschen der Stadt. Entweder hatten die Soldaten die Verfolgung aufgegeben, oder sie waren so weit hinter mir, dass sie mich nicht mehr einholen würden. Mit zitternden Beinen ging ich weiter. Nach einer Weile – es war bereits so dunkel, dass ich die Hände ausstrecken musste, um nicht gegen Hindernisse zu laufen – endete der Weg auf einem kleinen Platz.
    Ich erkannte die Gegend wieder. Von dem Platz aus war es nicht weit bis zum Kloster. Unsicher blieb ich stehen. Seit die Tore geschlossen waren, patrouillierten Soldaten Tag und Nacht durch die Stadt. Auch ansonsten durfte sich nach Einbruch der Dunkelheit niemand ohne Genehmigung draußen aufhalten, das hatte mir Jacob erzählt. Nervös trat ich in einen Hauseingang, um mich zu verbergen.
    Ich muss zurück zum Kloster, dachte ich. Es gibt keine andere Möglichkeit.
    Ich kannte mich in Coellen nicht aus, wusste nicht, wo ich mich vor den Soldaten hätte verbergen sollen. Auf dem Klostergelände gab es hingegen Hunderte Verstecke. In einem von ihnen würde ich wenigstens bis zum nächsten Morgen blieben müssen. Dann, nach ein wenig Ruhe und Schlaf, würde mir schon etwas einfallen.

Kapitel 22
    Die Straßen und Gassen waren leer. Irgendwo weit entfernt von mir verkündete ein Nachtwächter, dass die zehnte Stunde angebrochen war. Ich versuchte, in den Schatten der Häuserwände zu bleiben, als ich mich auf den Weg zum Kloster machte. Die Nacht war warm, die leichte Brise trocknete den Schweiß auf meiner Haut und vertrieb das Durcheinander meiner Gedanken.
    Ich achtete darauf, nicht die breiten Straßen zu nehmen, in denen ich Patrouillen vermutete, sondern nur schmale Gassen und Nebenstraßen. Obwohl ich langsam ging, glaubte ich, meine Schritte von den Wänden widerhallen zu hören. Es war, als würde die ganze Stadt auf mich lauern.
    Ich orientierte mich am Turm des Doms, den ich immer mal wieder über den Hausdächern sah. Solange er rechts von mir blieb, ging ich in die richtige Richtung, dem Kloster entgegen. Ich verkniff mir ein Lachen, als mir klar wurde, dass der Ort, in dem ich wie in einem Kerker gesessen hatte, nun zu meiner einzigen Zuflucht geworden war.
    Irgendwo knarrte etwas, jemand zischte scharf, und es klang sehr nahe. Ich drückte mich rasch in einen Hauseingang und verbarg das Gesicht hinter meinem dunklen Umhang
    »Pass doch auf«, sagte eine Frau, leise, aber wütend.
    »Der verdammte Karren ist zu schwer«, antwortete ein Mann. Er keuchte bei jedem Wort.
    Vorsichtig streckte ich den Kopf vor, bis ich um die Ecke des Hauseingangs blicken konnte. Die kleine Gruppe dunkel vermummter Gestalten stand nur wenige Schritte von mir entfernt an der Kreuzung zweier Gassen. Sie waren zu fünft. Alle trugen hohe Körbe auf dem Rücken. Zwischen ihnen stand ein Karren. Im Sternenlicht sah ich, dass man ihm Decken um die Räder gewickelt hatte, wahrscheinlich, um die Geräusche zu dämpfen.
    »Je schwerer, desto besser.« Die Frau sah sich um. Ich zog den Kopf zurück.
    »Das sagst du nicht mehr, wenn sie uns erwischen.« Wieder der Mann.
    »Hört mit dem Gerede auf«, sagte eine neue Männerstimme. »Die Patrouille kommt gleich.«
    Ich wagte wieder einen Blick um die Ecke und sah, dass zwei der Gestalten die

Weitere Kostenlose Bücher