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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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bei ihrem Eintreten auf. Es trug ein Wams aus rotem Samt, das ihm viel zu groß war.
    »Womit kann ich dienen?«, fragte es mit einer Fistelstimme.
    »Wir suchen nach einer Abschrift der Ordensregeln des heiligen Benedikt«, sagte Celina.
    »Zu Diensten, werte Frauen«, fistelte der Kleine. Er eilte in die hintere Ecke des Ladens und suchte angestrengt in den Bücherreihen. »Da sind sie«, sagte der Alte zufrieden und zog ein Buch heraus. Er blies über den Einband und reichte Celina strahlend den Band.
    »Aber das ist doch …«, murmelte sie erschrocken.
    »Das ist die Abschrift eines Werkes von Erasmus«, sagte der Kleine stolz. »Der Verleger Brinello aus Venedig hat mir geschrieben, dass ich sie derjenigen Frau aushändigen soll, die nach den Ordensregeln des heiligen Benedikt fragt. Sie soll es einem Kardinal in Rom überbringen.«
    Dieser Spitzbube, dachte Celina, musste aber unwillkürlich lachen. Andriana stimmte in das Lachen ein.
    »Der Kerl ist doch mit allen Wassern gewaschen«, meinte sie. »Aber klug ist er, das muss man ihm lassen.«
    »Umsonst kann ich es Euch allerdings nicht geben«, sagte der Buchhändler. »Hat mich etliche Nachtstunden gekostet. Lange werde ich diese Bücher nicht mehr stehen lassen können. Auch hier hat die Inquisition ihre Augen und Ohren überall.«
    »Wie viel macht es?«, fragte Celina.
    »Das kostet drei Gulden. Und hier, die Regeln des heiligen Benedikt kriegt ihr noch obendrein, die können ja Pilgerinnen wie Euch auf keinen Fall schaden.« Er zwinkerte ihnen zu.
    Zum Glück hatte Brinello ihr genügend Geld mitgegeben. Celina zog ihre Geldkatze aus der Kutte und zählte dem Mann die Münzen in die Hand. Sie verließen den Laden. Ihre Pferde übergaben sie der Obhut eines Gastwirtes, die Reisebündel behielten sie bei sich, weil sie wussten, dass auch diese Stadt voller Diebe war. Auf dem Weg zur Ponte Vecchio, einem zentralen Punkt der Stadt, sahen sie Glanz und Elend nebeneinander: reiche Patrizier – die Medici waren erst vor einiger Zeit gestürzt worden –, geputzte Damen der Gesellschaft, Kurtisanen, Bettler, Hausfrauen, Handwerker, Krüppel und Kinder. Auf der Ponte Vecchio hatten die Metzger ihre Standplätze, auch einige Goldschmiede waren dabei. Es roch nach Blut und rohem Fleisch. Dicke Frauen und Männer brieten Hammelfleisch über großen Tonnen, aus denen das Feuer schlug. Das herabtropfende Fett zischte. Spatzen balgten sich um Brotkrumen. Überall standen Kurtisanen und boten sich den Kunden an oder begutachteten die goldenen Ketten, Uhren, Armbänder und Broschen. Zwei Metzger waren offensichtlich in Streit miteinander geraten.
    »Du verdammter Hund«, brüllte der eine, ein grobschlächtiger Kerl mit blutiger Schürze und einem pockennarbigen Gesicht, dem man die Völlerei und den Hang zum Alkohol ansah. »Du hast mir meinen Standplatz weggenommen!«
    »Das war immer mein Revier«, gab der andere zurück, ein junger, kräftiger Mann mit einer ebenfalls befleckten Schürze. Ein Wort gab das andere, und schließlich zückte der Dicke einen Dolch und stürzte sich auf seinen Widersacher. Andere fielen ihm in den Arm, doch es floss schon Blut: Der Junge war am Arm verletzt worden. Eine Frau aus der gaffenden Menge band ihm ein Tuch um die Wunde. Celina war entsetzt.
    »Das darfst du nicht so ernst nehmen«, beruhigteAndriana sie. »Die Leute sind es nicht anders gewohnt, als ihre Händel auf diese Art auszutragen.«
    »Ich werde das niemals begreifen«, antwortete Celina. »Warum können die Menschen nicht vernünftig miteinander umgehen?«
    »Verzeih mir, meine Freundin, aber du siehst das allzu rosig. Die Menschen waren schon immer auf ihren eigenen Vorteil bedacht und bereit, über Leichen zu gehen, um ihre Wünsche zu befriedigen.«
    Sie standen der vorbeiströmenden Masse im Weg und erhielten einige Stöße und Püffe.
    »Lass uns das Gespräch woanders fortsetzen«, meinte Andriana.
    Sie ließen sich vom Gewühl der Menschen treiben, erreichten einen großen Marktplatz. Hier war alles aufgefahren, was Gärten und Felder innerhalb und außerhalb der Stadt zu bieten hatten. Es wurde gerufen, gescherzt, gesungen, Mandoline gespielt, getanzt, getrunken, gegessen, gefeilscht und gekauft. Die beiden Frauen ließen sich auf einer Bank am Rande des Marktes nieder. Andriana bat Celina, die Regeln des heiligen Benedikt aus ihrem Reisesack zu holen. Sie schlug das Buch auf.
    »Die vier Arten von Mönchen«, las Andriana vor. »… gegen den Teufel kämpfen

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