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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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entsetzlich dumm. Er hätte mich bestimmt noch dann für seinen Freund gehalten, wenn ich ihm den kleinen Zweig direkt in die Rippen gerammt hätte. Ja, ja, Dummheit ist hier oben sehr verbreitet.« Mit einer geschmeidigen Bewegung wandte Loki sich an den Göttervater: »Odin, mein Lieber, jetzt sag mir doch mal, ob du dich nie gewundert hast, wieso ich Gullveig unbedingt verbrennen wollte?«
    »Aber sie hat doch Gold verteilt«, antwortete Thor an Stelle seines Vaters. »Der Krieg bei den Menschen ... sie wollte die Prophezeiung wahrmachen.«
    Loki kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Lass mich überlegen, wollte sie das? Nein, nein, ich glaube nicht. Ich denke, ich habe mich getäuscht, sie hat gar kein Gold verschenkt.«
    »Der Krieg gegen die Vanen ...« Odin wirkte wie ein Greis, als er weitersprach, »ich habe den Krieg angefangen.«
    »Das hast du«, rief Loki und blickte den Göttervater mitleidig an, »wenn ich es mir recht überlege, hast du selbst die Prophezeiung wahrgemacht.«
    »Du allein bist dafür verantwortlich, dass so viele von uns gestorben sind, du elendes Geschöpf.«
    Die Berggöttin Skadi, die Edelste der Vanen, bahnte sich einen Weg durch die Menge der Götter. Sie überragte ihn um Haupteslänge, und in ihrem roten Gewand, über dem sie einen langen Fellmantel trug, wirkte sie wie eine Königin. Skadi trat ganz dicht vor Loki hin, dann spuckte sie ihm ins Gesicht.
    »Sie war unschuldig?«, flüsterte Odin und sah sich nach den anderen Vanengöttern unter ihnen um.
    »So unschuldig wie euer Balder. Und was dich betrifft, Skadi, ich muss mich schon wundern über deine Launen. Es gab eine Zeit, da konntest du gar nicht genug von mir bekommen, und es war dir egal, was ich über die liebe Gullveig gesagt habe.«
    Skadi wurde feuerrot, ihre Augen huschten von einem Göttergesicht zum anderen, und aufsteigende Tränen erstickten fast ihre Stimme. »Das ist nicht wahr. Er lügt. Ich war niemals seine Geliebte. Er lügt. Hört ihr? Er lügt.«
    Loki zuckte die Achseln. »Glaubt mir oder lasst es bleiben. Ich persönlich finde Skadis Verhalten nicht schlimmer als das aller anderen. Nehmt nur Thor hier: Er hat den dummen Riesen Geirröd auf dem Gewissen. Übrigens: Ich hatte Geirröd gesagt, dass du kommen würdest, um ihn zu töten. Kein Wunder, dass er dich nicht sonderlich mochte.« Loki stand nun genau vor Thor und flüsterte ihm ins Ohr. Dabei sprach er gerade laut genug, dass alle anderen Götter hörten, was er sagte. Der Hammer entglitt Thors Händen und fiel schwer auf den Boden. Seine Hände hatten nicht mehr die Kraft, die Waffe festzuhalten, und hingen nun schlaff herab. Doch Loki fuhr ungerührt fort: »Der arme Thrym hingegen, der wusste von gar nichts, als du dich in seine Burg geschlichen hast. Er hatte deinen Hammer ja niemals. So viele Morde, Thor. Die Riesen werden jetzt wirklich alles tun, um euch zu vernichten.«

    Odin und die anderen Götter waren inzwischen nähergekommen und bildeten einen Kreis um Loki. In ihren Gesichtern stand der Hass. Tyr, der Kriegsgott hatte mit seiner verbliebenen linken Hand einen Dolch gezückt, Odin umklammerte seinen Speer, und an Heimdalls Stirn traten die Adern hervor.
    Loki aber achtete nicht auf ihren Zorn. Unbekümmert und fröhlich fuhr er fort: »Ach ja, Thor, richte doch bitte deiner Frau von mir aus, dass ich sie auch mit Glatze wunderschön fand«, lachte Loki und stieß Thor verschwörerisch in die Seite.
    Thor ließ es geschehen. Er stand einfach stumm da, und die Tränen tropften aus seinen Augen auf den Boden.
    Loki betrachtete ihn amüsiert und wandte sich dann wieder an Odin:
    »Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass mir keiner von euch zur Geburt meiner drei Kinder gratuliert hat. Dabei habt ihr meine Lieblinge ja sogar persönlich kennengelernt, im Eisenwald. Besonders Fenrir kommt ganz nach seinem Vater, nicht wahr, Odin?«
    Thor war aus seiner Benommenheit erwacht. »Willst du damit sagen, dass du ...?«
    »Ja, mein kluger Freund«, unterbrach ihn der Halbgott, »ich habe eure Feinde gezeugt, und ich werde sehr stolz sein, wenn sie euch demnächst vernichten. Übrigens solltet ihr das Gestaltwechseln öfter üben, sonst wird es für meine Armee gar zu leicht sein, euch auszulöschen.« Augenblicklich verwandelte sich Loki in das alte Kapuzenweib, nur seine Stimme blieb jung und kräftig. »Jetzt aber müsst ihr mich entschuldigen, ich habe noch etwas zu tun.«
    Und bevor einer der Götter nach Loki greifen konnte, änderte er

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