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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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Himmelssitz hinab. Mit großen Schritten eilte er in den abgelegensten Raum seiner Burg.
    Vorsichtig öffnete er eine goldene Truhe und holte das Haupt des weisen Riesen Mimir heraus.
    »Mimir, mein alter Freund«, sagte Odin und zeichnete einige Runen auf Mimirs Stirn, »sprich zu mir, denn die Zeit ist gekommen, da ich deinen Rat brauche!«
    Da öffnete der Kopf des toten Riesen die Augen und blickte Odin lange an, bevor er antwortete. »Vielleicht hättest du schon früher kommen sollen. Du wusstestdoch von Ragnarök, dem Schicksal, das euch Göttern bestimmt ist. Aber du! Du hast nichts unternommen!«
    »Ich habe meine Krieger hier in Asgard versammelt.« Odin stellte den Kopf auf dem Deckel der Truhe ab. »Ich habe Lokis Kinder, den Fenriswolf, die Midgardschlange und Hel, die Totengöttin, gebannt. Was hätte ich denn deiner Meinung nach noch tun sollen?«
    »Du hast gelogen und betrogen, Odin.«
    Doch Odin winkte wütend ab und lief rastlos in dem kleinen Raum umher, um nicht die Fassung zu verlieren. »Sag mir, wo Loki ist! Ich kann ihn nirgends finden.«
    Mimirs bleiches Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Der Einfall mit dem Wolf in der Schlucht war nicht schlecht. Fenrir als Köder, nicht wahr? Trotzdem, Loki wird nicht kommen. Er wird nicht versuchen, seinem Sohn zu helfen. Er versteckt sich auf einem Berg in Utgard, in einem Haus mit vier Türen. Eine zeigt nach Norden, eine nach Süden, eine nach Osten und eine nach Westen. Ihr müsst ihn töten, wenn ihr ihn fangt.«
    Odin nickte, der Kopf aber sprach weiter.
    »Du musst zu den Schicksalsfrauen. Du musst zu den Nornen, wenn du noch etwas ausrichten willst. Und jetzt nimm mich mit in deinen Thronsaal, ich könnte dir von großem Nutzen sein. Ich war schon viel zu lange in dieser Kiste.«
    Aber Odin hörte ihm nicht mehr zu und stürmte aus dem Raum. Zum zweiten Mal in dieser Nacht bestieg er Hlidskialf, seinen Wolkensitz, und seine Augen durchdrangen die Finsternis, wie es nur Götterblicke können. Er sah ein Haus auf einem Berg und einen großenMann, der immer wieder in alle vier Himmelsrichtungen spähte.
    Außer Odin wachte in dieser Nacht noch jemand. Heimdall, der Hüter Asgards, stand, auf seinen Schild gestützt, neben der Brücke Bifröst, die das Götterreich mit der Welt der Menschen verband. Alles war ruhig, viel zu ruhig. Selbst die Winterstürme schienen den Atem anzuhalten, und so war das einzige Geräusch, das zu Heimdall herüberwehte, das Heulen des Fenriswolfes.
    Gerade wollte Heimdall sich einen halben Adlerruf lang ausruhen, da hörte er es. Ein lang gezogenes Heulen. Aber das war nicht Lokis Sohn, der Wolf. Es klang anders, etwas heller. Heimdall hob den Kopf. Die zweite Stimme klang wie ein Hund. Da, wieder ein Wolf. Und jetzt. Der Hund. Er antwortete ihm. Heimdall erstarrte. So jaulte kein lebender Hund. Dieses Heulen kam aus dem Reich der Toten. Dort, wo der vieräugige Höllenhund Garm in seiner Grotte Gnipahellir hauste und den Eingang zur Unterwelt bewachte.
    Wie genau hieß es doch in der Prophezeiung?
    »Gellend heult Garm vor Gnipahellir.«

Es reißt die Fessel, es rennt der Wolf
    O din, Thor, Heimdall und Skadi hatten sich in der Wildnis Utgard am Fuß des höchsten Berges eingefunden. Vorsichtig und leise schlichen sie den schmalen Pfad zum Gipfel hinauf, durch Geröll und Disteln. Da stand es, das Haus mit den vier Türen.
    Die Götter teilten sich auf und traten zur gleichen Zeit in die Hütte, aber Loki war nicht da. In der Asche des Kaminfeuers fanden die Asen ein halb verkohltes Fischernetz.
    »Der Wildbach«, sagte Thor, ohne aufzusehen, »er ist ein Fisch geworden. Deshalb hat er das Netz verbrannt.«
    Odin nickte.
    Die Götter verließen das Haus. Im Weggehen schleuderte Thor einen Blitz in die Hütte, und auf der Stelle ging sie in Flammen auf. »Egal, welche Gestalt du wählst, Loki, ob Fisch, Fliege, Seehund oder Floh. Keine dieser Verwandlungen wird dich vor uns schützen.« Noch einmal blieb Thor stehen und warf seine Blitze nun auch in den Wald, der die Hütte umgab. »Selbst wenn ich alles niederbrennen muss. Ich finde dich.«
    »Es ist nicht notwendig, dass du den gesamten Wald zerstörst. Du richtest nur noch mehr Schaden an«, sagte Odin.
    »Was willst du damit sagen, Vater? Ist es jetzt vielleicht meine Schuld, dass alles so gekommen ist?« Thors Gesicht hatte alle Farbe verloren.
    »Immerhin war er dein bester Freund, nicht wahr? Dein Waffengefährte! Du warst ständig mit Loki zusammen und hast

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