Die Nordischen Sagen
was ihr könnt? Prüfen wir nun deinen anderen Gefährten. Hey, Bursche, du kannst gehen, wenn du den Wettstreit fürchtest«, wandte Utgard-Loki sich lächelnd an Thjalfi, »mir liegt nur an deinem Herrn.«
»Ich nehme die Herausforderung an«, entgegnete Thjalfi. »Ich laufe mit jedem um die Wette, den der König auswählt.«
Thor nickte seinem Knecht glücklich zu, denn er wusste, wie schnell Thjalfi war.
Die Rennstrecke wurde bereitet und ein Pfosten als Ziel in den Boden gerammt. Neben Thjalfi trat Hugi an die Starlinie, ein kleiner Kerl, kaum größer als Thjalfi selbst. Die Läufer gingen in Position, Utgard-Loki gab das Zeichen, und Thjalfi stürmte davon, so schnell, dass Thor beinahe Mühe hatte, ihm mit den Augen zu folgen. Dennoch hatte Thjalfi kaum die Hälfte der Rennstrecke zurückgelegt, als sein Gegner ihm schon von der Ziellinieaus entgegenschlenderte. Das Rennen wiederholte sich dreimal. Und dreimal unterlag Thjalfi. Thor konnte es kaum fassen. Wie war es möglich, dass Riesen gegen Asgards Kämpfer bestehen konnten. Beschämt und zornig trat er an den König heran.
»Keiner hier drinnen trinkt mehr und schneller als ich. Wer wagt es trotzdem, sich mit Thor, Odins Sohn, zu messen?«
Der Riesenkönig betrachtete Thor eine Weile vergnügt, dann deutet er auf ein Trinkhorn, dass so groß war wie ein Schiff, und sagte: »Keiner meiner Gefolgsleute braucht mehr als drei Züge, um das Horn zu leeren, ein guter Trinker braucht nur einen. Zeig uns, Thor, was euch Götter zu Göttern macht.«
Ohne etwas zu erwidern, setzte Thor das Trinkhorn an die Lippen und trank in langen Schlucken. Als sein Durst gestillt war, trank er noch etwas weiter, meinte jedoch, längst alle Riesen übertroffen zu haben. Er setzte das Horn ab und erschrak, als er sah, dass es immer noch fast voll war. Erneut stemmte er das Gefäß hoch und trank und trank, bis er fast nichts mehr hinunterschlucken konnte.
»Mit dem zweiten Zug ist es immer noch halb voll«, spottete Utgard-Loki, als er sah, dass Thor sich festhalten musste, um nicht umzufallen, »mit dem dritten Zug sollte ein Gott das Horn wohl leeren können.«
Da griff Thor noch einmal nach dem Gefäß und schüttete seinen Inhalt so lange in sich hinein, bis er glaubte zerplatzen zu müssen. Die Flüssigkeit jedoch hatte kaum abgenommen.
»Dies ist ein seltsamer Ort«, brauste Thor auf, als er einsah, dass er verloren hatte, »in Asgard wäre der Wettstreit wohl anders verlaufen. Dennoch: Ich werde euch auf eine andere Art von meiner Kraft überzeugen.«
Utgard-Loki gähnte und setzte sich gelangweilt auf seinen Thron. »Du bist Gast hier. Versuchen wir etwas Leichteres. Kleine Kinder spielen oft mit meiner Katze. Versuche wie sie, die Katze hochzuheben.«
Empört wollte Thor diesen Wettkampf zurückweisen, als er jedoch an die vorangegangenen Versuche dachte, nahm er die Herausforderung an. Eine große grau gestreifte Katze sprang herein, und Thor packte sie unter dem Bauch, um sie hochzuheben. Nichts geschah. Thor zog stärker, die Katze aber machte einen Buckel und bewegte sich nicht vom Fleck. Erst als der Donnergott das Tier mit aller Kraft zu sich heranzog, musste sie eine Pfote vom Boden lösen.
Thor war weiß vor Zorn. Seine roten Haare standen ihm vom Kopf ab wie Flammen, und sein Blick allein hätte ganze Armeen von Trollen in die Flucht geschlagen, der Riesenkönig jedoch war auf seinem Sessel eingeschlafen.
»Das ist ein falsches Spiel!«, brüllte Thor nun gegen das Gelächter der anderen Riesen an. »Ich verlange einen letzten Wettstreit.«
Utgard-Loki öffnete langsam ein Auge. »Aber Thor, nimm es dir nicht zu Herzen. Es war wirklich eine große Katze. Jetzt kann ich dich nur noch gegen meine alte Amme Elli antreten lassen.«
Tränen des Zorns stiegen Thor in die Augen, als er einegebeugte Alte hereinkommen sah. Schwankend kam sie auf ihn zu und stellte sich zum Ringkampf auf.
»Ich kann doch nicht ein altes Weib niederwerfen, verdammter Riese.« Thor starrte den Riesenkönig hasserfüllt an.
»Ich habe niemand schwächeren in meinem Gefolge, Donnergott. Du wirst schon mit Elli ringen müssen, wenn du nicht ganz aufgibst.«
Da packte Thor die Alte bei den Armen und versuchte, sie auf den Boden zu drücken, Elli jedoch stand fest wie ein Fels, egal, wie sehr Thor an ihr rüttelte. Der Kampf währte lange, ohne dass einer unterlag. Schließlich aber musste Thor sich auf dem Boden abstützen und hatte verloren. Utgard-Loki unterbrach den
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