Die Normannen
zurückkehren. Nach dem Tod Anaklets II. 1138 versuchte Roger II. sich mit Innozenz II. zu einigen, doch dieser blieb hart. Als der Papst ihn mit einem Heer angriff, schlug Roger zurück und nahm Innozenz gefangen. Dieser war schließlich gezwungen, Rogers Königtum anzuerkennen (1139); das Einzige, was Innozenz erreichte, war die Bestätigung der päpstlichen Enklave Benevent.
Nachdem er seine süditalienischen Gegner hart bestraft hatte, ging Roger daran, dem neuen Königreich eine zentralistische Struktur zu geben. Er ließ von in Bologna ausgebildeten Juristen ein Gesetzeswerk verfassen, das in weiten Teilen auf dem damals erst seit kurzem wiederentdeckten antiken römischen Recht beruhte (Pennington). Darin wurde die herausragende Stellung des Königs betont, der im Unterschied zu den zeitgenössischen europäischen Monarchien keine Rücksicht auf die Fürsten nehmen musste: Diskussionen über Entscheidungen des Herrschers galten als Sakrileg, Aufstände als Majestätsverbrechen, die mit der Todesstrafe geahndet wurden. Rogers um 1140 erlassene Konstitutionen sollte man nicht mehr als Assisen von Ariano bezeichnen, da der Begriff Assisen (Gesetze) erst sehr viel später aufkam und die Annahme der älteren Forschung, sie seien in Ariano (bei Avellino, östlich von Neapel) verkündet worden, sich als unbegründet herausgestellt hat. Während Sizilien direkt vom Hof in Palermo aus verwaltetwurde, kontrollierten in den Provinzen Süditaliens sogenannte Justitiare die Rechtsprechung, Kämmerer beaufsichtigten die Einziehung der Abgaben. Den größeren Städten und einigen Grafen wurde eine gewisse Selbstverwaltung zugestanden. Roger II. erreichte es, dass alle Grafen ihm direkt unterstanden; zudem vergab er die meisten Grafschaften an seine Verwandten.
Als größte und zentral gelegene Insel des Mittelmeers und als Getreideproduzent spielte Sizilien eine wichtige Rolle im Handel zwischen Europa, Nordafrika und Byzanz: Von Palermo ist es genauso weit nach Tunis (ca. 150 km) wie nach Neapel; Messina liegt auf halbem Weg zwischen Genua und Alexandria. Durch den Verkauf von Getreide an den Maghreb, der im 12. Jahrhundert zunehmend von Hungersnöten heimgesucht wurde, kamen Gold und orientalische Luxusgüter (vor allem wertvolle Stoffe) nach Sizilien. Während Roger I. sich um gute Beziehungen zu den im Maghreb herrschenden Ziriden – eine Berberdynastie, die den in Ägypten herrschenden Fatimiden unterstand – bemüht hatte, indem er etwa 1087 das Angebot von Pisa und Genua, gemeinsam die tunesische Hafenstadt Mahdia (al-Mahdīyya) anzugreifen, abgelehnt hatte, verfolgte sein Sohn Roger II. eine ambitioniertere Mittelmeerpolitik.
Angesichts der zunehmenden politischen Destabilisierung im Maghreb, wo sich die Berberdynastien der Hammadiden und Ziriden bekämpften, entschloss sich Roger II., die wichtigsten Hafenstädte an der Sizilien gegenüberliegenden nordafrikanischen Küste zu erobern (s. Karte hintere Umschlaginnenseite). Zwischen 1146 und 1153 gelang es ihm, das libysche Tripolis, die tunesischen Städte Mahdia, Susa (Sousse) und Sfax sowie das algerische Annaba (Bône, Būna) einzunehmen und durch Garnisonen zu sichern. Nur bei Tunis begnügte er sich damit, dass es seine Oberhoheit anerkannte. Von Sizilien aus konnte so der Karawanenhandel zwischen Marokko und Ägypten kontrolliert werden. Mit dem ägyptischen Fatimidenkalifen al-Hafīz (1130–49) pflegte der sizilianische König gute Beziehungen.
Rogers Mittelmeerpolitik wurde stark von seinen beiden einflussreichsten Vertrauten bestimmt: von Christodulos, der aus einer auf Sizilien ansässigen griechischen Familie stammte, und von Georg von Antiochia, der ebenfalls aus einer griechisch-byzantinischen Familie kam und Christodulos, nachdem dieser 1125 in Ungnade gefallen war, in der Rolle des Wesirs (eine Art Premierminister mit dem arabischen Titel «Emir der Emire», lat.
ammiratus ammiratorum
) nachfolgte. Aus Antiochia gebürtig, hatte Georg zunächst in byzantinischen Diensten gestanden und war ab 1087 als Finanzexperte am Hof der Ziriden in Mahdia tätig gewesen. 1109 war er dann in den Dienst Rogers II. getreten und hatte 1123 zusammen mit Christodulos einen erfolglosen Angriff auf Mahdia geleitetet. Seit 1126 bis zu seinem Tod 1151 war Georg von Antiochia die dominierende Gestalt in der Umgebung Rogers. Nach dem späten, aber gut informierten ägyptischen Chronisten al-Maqrīzī (gest. 1441) sind sowohl die orientalische Hofhaltung des
Weitere Kostenlose Bücher