Die Normannen
Als Barbarossa schließlich erkannte, dass er seine italienischen Gegner mit militärischen Mitteln nicht bezwingen konnte, verständigte er sich im Frieden von Venedig 1177 mit dem Papst und dem König von Sizilien sowie wenige Jahre später im Frieden von Konstanz 1183 auch mit dem Lombardenbund. Nun war der Weg für ein staufisch-sizilianisches Heiratsbündnis frei: Barbarossas Sohn und Nachfolger Heinrich VI. heiratete 1186 Konstanze, die nachgeborene Tochter Rogers II., die Wilhelm II. im Falle seines kinderlosen Todes zur Erbin des Königreichs bestimmt hatte. Dass ein solcher Fall tatsächlich eintreten würde, schien unwahrscheinlich, denn der sizilianische Herrscher und seine Gemahlin waren noch jung.
Im Vergleich zu den nach seinem Tod ausbrechenden Kämpfen um die Thronfolge war die Regierung Wilhelms II. aus der Rückschau eine gute Zeit. Daher gab man ihm im 14. Jahrhundert den Beinamen «der Gute» im Unterschied zu seinem Vater Wilhelm I., den man als «den Bösen» bezeichnete. Dies geschahvermutlich nicht nur wegen der harten Mittel, mit denen Wilhelm I. seine Herrschaft durchsetzte, sondern auch weil er in Hugo Falcandus einen zeitgenössischen Geschichtsschreiber fand, der von ihm ein einseitig negatives Bild überlieferte.
Als Wilhelm II. 1189 im Alter von nur 36 Jahren kinderlos starb, wurde die Verbindung des Königreichs Sizilien mit dem staufischen Kaiserreich Wirklichkeit. Doch dagegen wehrten sich die führenden Kreise am Hof in Palermo, die um ihren Einfluss fürchteten. Unterstützung fanden sie beim Papst, der sich durch eine deutsch-sizilianische Vereinigung in die Zange genommen sah. In Palermo erhob man daher Anfang 1190 Graf Tankred von Lecce, einen unehelichen Sohn Herzog Rogers, des früh verstorbenen ältesten Sohns Rogers II., zum König (s. Tafel S. 107).
Heinrich VI. zog nach seiner Kaiserkrönung in Rom 1191 trotz ausdrücklichen Widerstands des Papstes mit seinem Heer in den Süden, um das Königreich Sizilien zu erobern. Er stützte seinen Anspruch sowohl auf das Erbrecht seiner Gemahlin Konstanze als auch das «alte Recht des Kaisertums» (
antiquum ius imperii
) über ganz Italien. Bei der Belagerung Neapels im Sommer 1191 brach jedoch eine Seuche aus, die den Kaiser und seine Truppen zum Rückzug zwang.
Erst drei Jahre später konnte Heinrich VI. in Palermo einziehen und sich zum König von Sizilien krönen lassen. Diesen Erfolg verdankte er auch einem für ihn glücklichen Umstand: Einige Monate zuvor waren Tankred und sein 1193 zum Mitkönig gekrönter Sohn Roger, der die byzantinische Kaisertochter Irene geheiratet hatte, gestorben. Tankreds minderjährigen Sohn Wilhelm III., für den seine Mutter Sibylle die Regentschaft übernommen hatte, ließ Heinrich VI. festnehmen und durch Blendung und Entmannung herrschaftsunfähig machen sowie auf eine Burg im Vorarlberg bringen, wo er nach wenigen Jahren starb.
Damit war das Ende der vom Sohn eines normannischen Einwanderers gegründeten sizilianischen Herrscherdynastie und der Beginn der staufischen Herrschaft über das Königreich Sizilien besiegelt. Die von Roger II. verwirklichte politische Einigung von Süditalien und Sizilien in einem einzigen Königreichsollte (abgesehen von einer zeitweiligen Trennung nach der Sizilianischen Vesper 1282) bis zur Einheit Italiens im 19. Jahrhundert Bestand haben, während der Rest der italienischen Halbinsel in den Kirchenstaat und zahlreiche Stadt- und Kleinstaaten geteilt blieb.
Die Könige von Sizilien (1130–1250)
Die «normannischen» Könige von Sizilien:
Roger II.
1130–1154
Wilhelm I. (der Böse)
1154–1166
Wilhelm II. (der Gute)
1166–1189
Tankred von Lecce
1190–1194
Wilhelm III.
1194
Kulturelle Vielfalt Der politischen Einheit des Königreichs stand eine kulturelle Vielfalt gegenüber, die eine Folge der unterschiedlichen Vergangenheit der einzelnen Regionen war: In den zuletzt in das Reich integrierten nördlichen Gebieten (Kampanien und Abruzzen), die an den Kirchenstaat angrenzten (s. Karte S. 60), sowie im nördlichen Teil Apuliens lebten überwiegend römisch-lateinische Christen; im Süden Apuliens, in Teilen der Basilicata, in Kalabrien und im Nordosten Siziliens wohnten hingegen vorwiegend griechische Christen, während im Rest Siziliens die Muslime in der Mehrheit waren. Die soziale Stellung der Letzteren verschlechterte sich im Laufe der Zeit durch lateinische Einwanderer und den Druck des lateinischen Klerus. Die kapillare
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