Die Normannen
Mitgift der reichen Witwe, um seine Ritter besolden zu können. Die bereits auf die Vierzig zugehende Gräfin akzeptierte unter der Bedingung, dass Roger II. Balduins Nachfolger als König von Jerusalem werde, falls die Ehe kinderlos bliebe. Diese verlockende Perspektive schien sich zu verwirklichen, als der König im Winter 1116/17 schwer erkrankte. Man hatte jedoch die Rechnung ohne dessen Vasallen und den Patriarchen von Jerusalem gemacht, die nicht bereit waren, ihre unter Balduins Herrschaft erworbene starke Position aufzugeben. Der Patriarch erklärte Adelheids Heirat mit dem Argument für ungültig, der König habe zwar zuvor seine bisherige Gemahlin verstoßen, es aber unterlassen, die Ehe formal annullieren zu lassen. Enttäuscht musste Adelheid daraufhin nach Sizilien zurückkehren. Der Plan, ihrem Sohn die Königskrone von Jerusalem zu verschaffen, war gescheitert. Dessen Hoffnung, König zu werden, sollte sich jedoch gut ein Jahrzehnt später auf andere Weise erfüllen.
Wie sein Vater unterstand auch Roger II. dem Herzog von Apulien, Kalabrien und Sizilien, war allerdings in der Praxis mächtiger als dieser. Herzog Wilhelm, der Nachfolger von Roger Borsa, konnte nur mit Hilfe des Grafen von Sizilien seine Vasallen unter Kontrolle halten. Als der Herzog 1127 kinderlos starb, verlangte Roger II. vom Papst, der Lehnsherr des Herzogtums Apulien, Kalabrien und Sizilien war, als Wilhelms nächster männlicher Verwandter (s. Tafel S. 99) dessen Nachfolge antreten zu können. Dabei berief er sich auf ein angebliches Versprechen des Herzogs, der ihm im Falle eines kinderlosen Todes die Nachfolge zugesichert habe.
Papst Honorius II. (1124–30) sah dies aber anders: Mit dem Tod seines Vasallen Wilhelm war das Herzogtum an ihn alsLehnsherrn zurückgefallen; daher lag bei ihm die Entscheidung, wem das Lehen künftig verliehen werden sollte. Außerdem war Rogers Verhalten nicht dazu angetan, sich das Wohlwollen des Papstes zu verschaffen. Gleich nach Wilhelms Tod bemächtigte er sich der Stadt Salerno, die unter Roger Borsa und Wilhelm zur Residenz der Herzöge geworden war, und ließ sich dort zum Fürsten salben. Honorius II. reagierte mit der Exkommunikation Rogers II. und verbündete sich mit Adligen und Städten, denen er Autonomie versprach. Doch als Roger mit einem großen Heer anrückte, waren seine Gegner bald zur Kapitulation gezwungen. Dem Papst blieb nichts anderes übrig, als Roger mit dem Herzogtum von Apulien, Kalabrien und Sizilien zu belehnen (1128). Damit waren Sizilien und das süditalienische Festland erstmals in einer Hand. Mit brutaler Gewalt setzte Roger II. im folgenden Jahr seine Herrschaft in Süditalien durch.
Die Herzöge von Apulien, Kalabrien und Sizilien (1059–1130)
Die Herzöge von Apulien, Kalabrien und Sizilien:
Robert Guiscard
1059–1085
Roger Borsa
1085–1111
Wilhelm
1111–1127
Roger II.
1128–1130
Als sich nach dem Tod Honorius’ II. im Februar 1130 das Kardinalskollegium in zwei Gruppen spaltete, von denen jede einen aus dem römischen Adel stammenden Kardinal zum Papst wählte, brach ein Schisma aus. Beide, Innozenz II. (Gregor Papareschi) und Anaklet II. (Petrus Pierleoni), bemühten sich um ihre Anerkennung in Europa. Roger II. unterstützte Letzteren, der sich vorwiegend in Rom und Süditalien aufhielt. Als Gegenleistung ernannte Anaklet II. ihn am 27. September 1130 zum König von Sizilien, Kalabrien und Apulien. Die Gültigkeit dieses Akts wurde sowohl von den byzantinischen Kaisern und den deutsch-römischen Herrschern bestritten als auch von den süditalienischen Adligen und Städten, die eine Verminderung ihrer bisherigen Rechte befürchteten.
Roger II. verfügte über eine gut ausgerüstete Flotte und ein starkes Heer, das nicht nur aus ritterlichen Vasallen bestand, die zu einem befristeten Kriegsdienst verpflichtet waren, sondern auch aus fest besoldeten Rittern, Soldaten und muslimischen Bogenschützen (für den Süditalienfeldzug von 1128 ist in der Chronik des Romuald von Salerno von 2000 Rittern, 30.000 Fußsoldaten und 1500 Bogenschützen die Rede). Dadurch konnte Roger II. eine Hinhaltetaktik anwenden, der seine Gegner auf die Dauer nicht gewachsen waren. Dies erfuhr auch Kaiser Lothar III., als er 1137 mit dem Papst nach Süditalien zog. Er kam zwar bis Bari und in die Basilicata, aber da Roger in Sizilien blieb und keine Anstalten machte, ihm entgegenzutreten, musste der deutsche Herrscher unverrichteter Dinge nach Deutschland
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