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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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hinaus nun tot. Und wir beide haben in zwölf Jahren kein Kind zustande gebracht, denn Ihr seid so unfruchtbar wie die Berge von Palästina.«
    Seine letzten Worte fügten mir tieferen Schmerz zu als die Anschuldigung, ich würde mit meinem Bruder Blutschande begehen. Ich spürte alles Blut aus meinem Gesicht weichen.
    »Ihr solltet besser mit Eurem Bruder über all dies reden«, fuhr Raymond fort. »Ich sage es Euch noch einmal – wenn wir keine Möglichkeit auftun, unseren guten Klosterbruder zu beschwichtigen, werden wir nicht mehr lange über diese ärmlichen Güter herrschen.«
    »Vielleicht doch, mein Gemahl.«
    Schweigen senkte sich über den Raum. Nach einer Weile fragte Raymond mit leiser Stimme: »Ihr habt mir etwas mitzuteilen?«.
    »Gott hat mich endlich gesegnet. Ich bin guter Hoffnung.«
    »Seid Ihr sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher. Ich bin eine Frau.« Wünschte er etwa, dass ich noch deutlicher wurde? Meine Brüste waren geschwollen und schmerzten. Ich hatte seit zwei Monden nicht mehr geblutet. »Ihr werdet Euren Erben bekommen.«
    Ich sah den Zweifel in seinem Gesicht. Er wollte mir glauben, wagte es aber nicht. »Nur, wenn das Kind lebend geboren wird und bis zum Erwachsenenalter überlebt.« Ich hatte nicht erwartet, dass er meine Neuigkeit mit so wenig Begeisterung aufnehmen würde. »Außerdem ist vorerst trotzdem noch alles nicht sicher, meine teure Gemahlin. Wenn wir Vater Subillais nicht zufrieden stellen, werden unsere Besitztümer nicht mehr lange uns gehören.«
     
    *
     
    Die Kirche der Heiligen Maria Magdalena hatte eine Zeit lang als Privatkapelle des Seigneurs gedient, gehörte nun jedoch zur Stadt und war die Hauptkirche und wichtigste Andachtsstätte der Gemeinde von Saint-Ybars. Da die Wand des neuen, südlichen Querschiffs noch nicht ganz fertig gestellt war, bedeckten dort überfrorene Schneewehen den Boden. Lichtstrahlen fielen durch das Gerüst und erhellten den Altar. Die frostige Luft brannte auf den Wangen.
    Ich versuchte, die kalten Steine unter meinen Knien zu ignorieren und mich in das Gebet zu vertiefen. Eine marmorne Statue der Madonna mit dem Jesuskind im Arm blickte zu mir herunter. Ich schloss in stiller Andacht die Augen, aber ich richtete meine Bitte nicht an Gott, wie die Dominikanermönche es zweifellos gewünscht hatten, sondern an Maria, die Muttergottes, die Göttin der Sanftmut.
    Ich betrachtete ihre Statue. Um wie vieles anziehender war doch ihr Abbild als dasjenige des gepeinigten Christus! Es sprach zu mir nicht von Qual, Opferung und Schuld, sondern von Erbarmen, Mütterlichkeit und Milde. Ich fragte mich, wie es auf der Welt aussähe, wenn die Menschen statt dem mächtigen, zornigen Gott der Madonna zuhören würden. Ob sie ihre Mitmenschen im Namen der Heiligen Jungfrau wohl ebenso leichtfertig auf die Folterbank und den Scheiterhaufen schicken würden?
    Doch das waren gotteslästerliche Gedanken, die man in jenen Zeiten besser für sich behielt. Es war bereits unklug, sie überhaupt zu denken, ganz zu schweigen davon, sie laut zu äußern.
    Die schwere Eichentür der Kirche öffnete sich knarrend. Ich hörte Schritte hinter mir. Beißender Körpergeruch stieg mir in die Nase.
    »Christian!«
    »Sei gegrüßt, Schwester.«
    Er kniete sich neben mich und murmelte mit gesenktem Kopf ein Vaterunser. Dann richtete er seinen Blick auf das Rosettenfenster, in dem aus buntem Glas ein Bild des gekreuzigten Christus zu sehen war. »Ihr befahlt mir, herzukommen«, sagte er mit bitterem Spott in der Stimme. Meine Botschaft war tatsächlich knapp und barsch gewesen.
    »In der Tat. Ein Kummer verdunkelt den Himmel über uns.«
    »In Zeiten wie diesen ist das Leben niemals leicht.«
    »Ihr habt gewiss vom Fortgang der Untersuchungen gehört?«
    »Wie könnte ich nichts davon wissen? Die Wege des Herrn sind unergründlich. Allerorten werden Leichen ausgegraben. Auf dem Weg hierher wäre mein Ross beinahe in ein offenes Grab gestürzt. Mir war nicht bewusst, dass man so rasch in solch schlechte Gesellschaft geraten kann. Bereiten die Lebenden Euch hier ebenso viel Ärger?«
    »Ihr habt gut scherzen, Ihr sitzt in Eurer Komturei in Maurac und seid sicher vor all den Problemen, die diese Mönche hier verursachen.«
    »Sie handeln im Auftrag des Papstes, Schwester. Treue Anhänger des Heiligen Vaters haben nichts zu befürchten.«
    »Mein Gatte ängstigt sich.«
    »Euer Gatte ängstigt sich in einem fort. Das scheint ihm zur Gewohnheit geworden zu sein.«
    »Diesmal

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