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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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hat er allen Grund dazu.«
    »Das denke ich nicht. Unsere Brüder vom Predigerorden werden ein paar Krüppel, Unruhestifter und alte Weiber den Flammen übergeben und Euch dann in Frieden lassen. Es ist immer dasselbe.«
    »Raymond glaubt, dass nicht die Ketzer, sondern das Château und unsere Ländereien ihr eigentliches Ziel sind. Für den König.«
    »Der König wird das alles ohnehin schon bald bekommen, es sei denn, Ihr schenkt Raymond doch noch einen Erben, Schwester. Warum sollte der König es also derart eilig haben?«
    Nun musste ich mir den Vorwurf gegen meinen unfruchtbaren Leib auch noch aus dem Mund meines Bruders anhören, was mich beinahe tiefer kränkte als die Klagen meines Gatten. Aber ich verbarg meine Wut und holte stattdessen zum Gegenschlag aus. »Vater Subillais glaubt, dass Ihr Guillaume getötet habt.«
    Christian sprang auf, als hätte er den Trompetenstoß eines Heralds vernommen. Sein Benehmen veränderte sich von einem Augenblick zum nächsten völlig. »Ihr wagt es, im Hause Gottes eine solche Anschuldigung zu äußern?«
    »Die Anschuldigung stammt nicht von mir, sondern von Vater Subillais.«
    Die Nachricht schien ihn wirklich zu erschüttern. Außer uns befand sich niemand in der Kirche, doch Christian blickte sich hastig um, als würden plötzlich überall Feinde in den Schatten lauern. Vielleicht gab es ja einen Grund, argwöhnisch zu sein – manchmal hatten selbst Kirchenwände Ohren.
    »Nicht hier«, stieß er hervor und zog mich von den kalten Steinen hoch. Wir erklommen die ausgetretene Steintreppe des Glockenturms, bis wir schließlich weit oben über der Stadt standen. Schneidend fuhr uns der eisige Wind in die Gesichter. Der Schnee leuchtete im hellen Sonnenlicht so gleißend weiß, dass meine Augen schmerzten.
    »Wer ist der eigentliche Urheber dieser Anschuldigung?«, knurrte er.
    »Vater Subillais hat meinem Gemahl gegenüber behauptet, die Information von Martha Fauré bekommen zu haben, Guillaumes Magd.«
    »Sie hat es gesehen?«
    »Gab es denn etwas zu sehen, Christian?«
    Er antwortete nicht sofort, aber seine Miene verriet mir, was ich wissen wollte. »Subillais kann nichts gegen mich unternehmen«, sagte er, als wolle er damit sich selbst beruhigen.
    »Dann ist es also wahr?«
    Er rieb mit seiner behandschuhten Rechten über den gefrorenen Schnee, der auf der Turmbrüstung lag.
    »Christian?«
    »Guillaume war ein Narr und außerdem gefährlich.«
    Ich brauchte eine Weile, um mich zu fassen und die bittere Wahrheit zu begreifen, dass mein Bruder tatsächlich einen Priester und Blutsverwandten ermordet hatte. »Warum? Warum habt Ihr das getan?«
    »Er war starrsinnig.«
    »Seid Ihr das etwa nicht?«
    »Keine meiner Handlungen hat uns je in Gefahr gebracht.«
    »Darüber ließe sich streiten. Ihr habt Guillaume also getötet, weil er starrsinnig war? Ist das der einzige Grund? Oder besaß er womöglich noch andere Charaktermängel, die eine solche Abneigung in Euch hervorriefen, dass Ihr ihn meucheln musstet?«
    Er seufzte. »Es gibt etwas, das ich Euch sagen muss.«
    »Das habe ich bereits vermutet.«
    »Als ich das Grabmal öffnete, fand ich darin auch eine Genealogie, einen Stammbaum. Er war sehr viel älter als jeder andere in unserem Besitz.«
    »Wie konntet Ihr mir das verschweigen?«
    Christian zuckte mit seinen breiten Schultern. Eine Entschuldigung war von ihm nicht zu erwarten.
    »Wie alt ist dieser Stammbaum?«
    »Er war in Hebräisch geschrieben, das Pergament zerfiel mir beinahe in den Fingern. Ich brauchte Guillaume, er sollte eine Kopie in lateinischer Schrift anfertigen.« Mein Bruder sah mir eindringlich in die Augen. »Dieses Dokument schließt die Lücken im Stammbaum unseres Geschlechts, Eleonore. Es ist der endgültige Beweis, dass unsere Familie von Jesus abstammt!«
    »Es gibt keine Beweise, nur Geschichten und Legenden.«
    »Für mich ist es Beweis genug.«
    »Warum habt Ihr mir nichts davon erzählt?«, fragte ich wieder.
    Er gab mir keine Antwort, aber ich konnte es mir denken – weil ich eine Frau war, und weil er sich als alleiniger Hüter der Familiengeheimnisse betrachtete.
    »Und deswegen musste Guillaume sterben?«
    »Ich wurde misstrauisch, weil er sich so viel Zeit mit der Abschrift ließ. Also stattete ich ihm in jener Nacht unangemeldet einen Besuch ab. Es war genau, wie ich geahnt hatte – er stellte gerade eine zweite Kopie her. Mir graut jetzt noch, wenn ich daran denke, was er wohl damit vorhatte. Wir gerieten in Streit. Er

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