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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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einen angenehmen Anblick bieten. Dies galt nun umso mehr für einen Häretiker wie Gillibert.
    Der Leichnam wurde an ein Pferd gebunden und durch die Stadt geschleift. Er sah schrecklich aus, da die Diener ihn bereits den ganzen Weg von seinem Grab in den Bergen nach Saint-Ybars hinter sich hergezogen hatten. Die Einwohner waren dazu verpflichtet, sich das Schauspiel anzusehen, und säumten die Straßen.
    Ich zweifelte nicht daran, dass Gillibert zu Recht geschleift und verbrannt wurde. Dennoch fragte ich mich, ob wir der Kirche mit dem, was wir an jenem Tag taten, einen Dienst erwiesen. Während Gilliberts Leichnam über den gefrorenen Schlamm des Marktplatzes hüpften, betrachtete ich die Gesichter der umherstehenden Menschen. Ich glaube, dass wir uns in ihren Augen erniedrigten.
    Gillibert de Vezays irdische Überreste wurden auf dem Anger außerhalb der Stadt verbrannt, im Namen unseres Herrn Jesus Christus und zur Ehre des Heiligen Dominik.

ELEONORE
    Raymond stand am Fenster und blickte über die Dächer der Stadt auf den Nebel, der sich in der verschleierten Wintersonne langsam auflöste. Er war düsterer Stimmung und wirkte bereits seit einigen Tagen unruhig und abwesend.
    »Was ist mit Euch, Raymond?«
    »Was mit mir ist? Wie könnt Ihr das nur fragen? Seht Euch doch um! Die braven Dominikanerbrüder graben tagtäglich Leichen aus dem’ Boden und schleifen sie durch die Straßen. Vater Subillais entdeckt allerorten Häresie, in dieser Welt und in der nächsten. Nun ja, zumindest die Hunde der Stadt sind glücklich. Gestern sah ich, wie sich drei von ihnen um einen halb verwesten Arm rauften. Unsere guten Mönche beleidigen erst die Toten und dann auch noch die Lebenden!«
    »Subillais’ Ernte wird lediglich aus ein paar verwirrten, einfältigen Bauern bestehen.«
    »Hier geht es nicht um Häresie, sondern um Politik! Mag Subillais auch noch so große Frömmigkeit heucheln, er weiß genau, dass die Kundschafter des Königs auf Güter und Ländereien aus sind, und soll dafür sorgen, dass sie diese auch bekommen.«
    Ich verstand, was er meinte: Falls wir als Häretiker abgestempelt wurden, würden unsere Güter an die Krone zurückfallen, und ein königlicher Seneschall würde als Burgherr eingesetzt werden. Die Einnahmen aus dem Verkauf unserer Ländereien würden in die Kasse des Königlichen Verwalters für Konfiszierungen fließen, ein Teil jedoch auch zur Deckung der Kosten an das Priorat in Toulouse gehen. Raymond hatte Recht – dies allein war Grund genug für Vater Subillais, seine Untersuchung äußerst sorgsam durchzuführen.
    »Eure Familie hat dem König stets treu gedient.«
    »Der König hat genug Diener. Nur Land hat er nicht genug. Die Steuern, die er erhebt, lähmen uns doch jetzt schon.«
    »Könnten wir Subillais nicht einen Anreiz bieten, damit er uns gegenüber ein wenig nachsichtiger wird?«
    Mein Gatte lächelte grimmig. »Er will, dass wir ihn unterstützen. An Reichtümern ist er persönlich nicht interessiert.«
    »Wir werden auch diesen Sturm überstehen«, warf ich wenig überzeugend ein.
    »Ihr wart es, die den Sturm gebracht hat, Eleonore. Ihr und Eure Familie.«
    »Ich bin Euch immer eine gute und treue Gemahlin gewesen«, protestierte ich, entsetzt, dass er mich plötzlich für seine Schwierigkeiten verantwortlich machte. »Ihr habt mich erwählt, damit Ihr Eure Herrschaft hier legitimieren konntet. Meine Familie hat Euch bis jetzt gute Dienste geleistet.«
    Das entsprach der Wahrheit, und meine Worte schienen ihn zu beruhigen. Er schüttelte den Kopf. »Was soll ich tun?«
    »Ihr habt nichts verbrochen, was der Inquisitor gegen Euch verwenden könnte.«
    »Dann wird er eben etwas erfinden, genauso, wie er die Anschuldigungen gegen dieses Mädchen und die Schwachsinnige aus dem Kloster erfunden hat! Ich glaube, wenn die Dominikaner in unserem Land keine Ketzer mehr zu verbrennen hätten, würden sie sie aus Outremer herbeischaffen. Die Hunde Gottes brauchen die Häretiker und Gotteslästerer ebenso sehr, wie Simon de Montfort sie gebraucht hat.«
    Die Hunde Gottes, Domini canes – das Wortspiel mit dem Namen des Ordens war beliebt in den Schänken und Dirnenhäusern, wo es von Ohr zu Ohr weitergeflüstert wurde. Und sahen sie nicht auch aus wie schwarz-weiß-gefleckte Hunde, in ihren weißen Habits und schwarzen Umhängen?
    Doch Raymonds Bitterkeit gegen mich schwelte immer noch. Zu Unrecht, wie ich fand. Was das Gebären von Nachkommen betraf, hatte ich zwar versagt, aber

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