Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
Vom Netzwerk:
über mehr als einen scharfen Intellekt verfügen, er benötigt eine gewisse Festigkeit in seiner Geisteshaltung, um den Listen des Erzfeindes zu trotzen, und ein gerüttelt Maß an innerer Stärke, denn seine Arbeit bringt Qualen mit sich – solche, die er selbst ertragen muss, und solche, die er mit anzusehen gezwungen ist. Bruder Donadieu fehlte es zudem eindeutig an Tapferkeit. Er hatte den Wunsch, Seelen zu retten, ohne dabei Kränkungen oder Pein zu verursachen, doch das war schlichtweg unmöglich.
    Nach unserer Rückkehr nach Toulouse würde ich ihn seiner Stellung als Vikar entheben und ihm empfehlen, einen anderen Lebensweg einzuschlagen. Dennoch wünschte ich ihm nur Gutes, auch wenn dies offensichtlich nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.
     
    *
     
    Ich hatte bereits viele Male mit Bruder Donadieu über das Schicksal von Madeleine de Peyrolles debattiert. Sie musste unbedingt dazu gebracht werden, zu gestehen. Die Beweise gegen sie reichten aus, um die Anwendung härterer Methoden zu rechtfertigen: Zwei Zeugen hatten unabhängig voneinander gegen sie ausgesagt, des Weiteren war sie die Gefährtin einer Nonne, die erwiesenermaßen von Dämonen besessen war, und nicht zuletzt hatte ihre Mutter gestanden, Hexerei zu betreiben. Hinzu kam noch, dass wir in der Nähe des Ortes, an dem ihr angeblich die Madonna erschienen war, ein heidnisches Grabmal entdeckt hatten.
    »Wir wandeln auf dem Pfad der Sünde«, wagte Bruder Donadieu einzuwenden. »Dies ist nicht der sanfte Weg des Lamms. Ich bin der Ansicht, dass Aimery Maurand sowohl den Müller Almaric du Foix als auch den Karrenmacher Pierre Antignac dazu überredet hat, ein falsches Zeugnis über Madeleine de Peyrolles abzulegen.«
    Der Grund für Bruder Donadieus Einwand war offensichtlich. »Hegst du immer noch fleischliche Begierde für dieses Mädchen?«, fragte ich ihn. Die Farbe seiner Wangen verriet mir, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.
    »Das ist nicht der Grund für meine Bedenken.«
    »Möchtest du vielleicht beichten?«
    »Ich habe meine Sünde schon vor drei Jahren gebeichtet, Bruder. Ich tat Buße und erhielt die Absolution. Nun verspüre ich keinerlei Wollust mehr in mir.«
    Er schien von der Wahrheit seiner Behauptung überzeugt zu sein, aber mir war klar, dass seine Gefühle für diese Frau seinem und ihrem Seelenheil im Wege standen. Wenn wir doch nur schon wieder in Toulouse gewesen wären! Dann hätte ich sein widerspenstiges Herz heilen können.
    »Ihre Mutter ist eine Hexe, und für sie gilt dasselbe.«
    »Ihre Mutter hat dir das Leben gerettet.«
    »Was sagst du da, Bruder?«
    »Der Knochensetzer hätte dein Bein amputiert und war außerdem der Ansicht, dass du ohnehin sterben würdest. Ich suchte Sybille de Peyrolles auf und bat sie um ein Heilmittel.«
    Ich starrte ihn verwundert an. »Du bist zu einer Hexe gegangen und hast sie gebeten, mich zu heilen? Ist dir klar, dass du dich und mich damit in große Gefahr gebracht hast?«
    »Ich habe es getan, um dein Leben zu retten.«
    »Du hast mich ihrem Einfluss ausgesetzt. Ich danke Gott, dass er mir die Kraft gab, ihm zu widerstehen.« Seit unserer Ankunft in Saint-Ybars waren mir viele Dinge über Bernard offenbart worden. Bis dahin hatte ich ihn für vernünftig, wenn auch ein wenig fehlgeleitet gehalten. Doch inzwischen musste ich ernsthaft sein Urteilsvermögen in Frage stellen, ja sogar sein Verständnis bezüglich der Natur unserer Feinde.
    »Diese Madeleine de Peyrolles hat selbst zugegeben, dass sie sich mit Kräutern und Tränken auskennt. Womöglich bist du ja deswegen so unwillig, sie zu belangen.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Hat sie dir irgendetwas zu essen oder zu trinken aufgedrängt, als du bei ihr warst? Hat sie dich vielleicht durch Hexerei zu ihrem Sklaven gemacht?«
    »Das ist absurd.«
    »Hast du in den vergangenen drei Jahren von ihr geträumt? Ist ihr Gesicht dir überallhin gefolgt?«
    Er schüttelte den Kopf, aber es war offenkundig, dass er log. Mein Verdacht bestätigte sich – das Böse umgab mich von allen Seiten, selbst mein Vikar stank danach.
    Als Pons und Père Michel die Wachstube betraten, unterbrachen wir unsere Diskussion. Sie nahmen neben Bruder Donadieu Platz. Kurz darauf wurde Madeleine de Peyrolles hereingeführt. Ihre Zeit im murus strictus hatte ihren Leib verändert, jedoch nicht ihre Haltung mir oder meiner Aufgabe gegenüber. Ihre grünen Teufelsaugen starrten mich hasserfüllt an. Doch diesen Hass vermochte ich durchaus zu ertragen,

Weitere Kostenlose Bücher