Die Novizin
war. Er gehörte zu jenen Bürgern, die in der Stadt ihren Reichtum erwerben und später ebenso grausam und unerbittlich werden wie die Seigneurs auf dem Land, vor denen sie dereinst geflohen sind. Doch während es Gottes Wille ist, dass Adlige sich so benehmen, da sie nun einmal dafür geboren sind, liegt der Fall bei Männern wie Maurand anders. Sie eignen sich ein solches Verhalten selbst an und geben sich dabei besonders viel Mühe. Sie denken stets daran, dass ihre Väter von niedriger Geburt waren, und fürchten den Tag, an dem sie durch unglückliche Umstände womöglich wieder in ein armes Leben zurückgeworfen werden.
Meine Familie gehörte keineswegs zur Gruppe der Leibeigenen, aber wir standen auch nicht auf derselben gesellschaftlichen Stufe wie Maurand, und es war von Anfang an offensichtlich, dass er uns zu unterdrücken gedachte.
»Kommt her und lasst Euch einmal bei Licht betrachten«, befahl er.
Ich machte ein paar Schritte auf ihn zu. Er runzelte die Stirn. »Sie ist blass.«
»In den letzten Tagen war ihr nicht recht wohl«, erklärte meine Mutter.
»Was ist denn mit ihr?«
»Es ist nur … nur die Zeit des Mondes«, erwiderte sie. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg, und fragte mich, warum meine Mutter ihn anlog. Glaubte sie etwa immer noch, dass wir die Wahrheit vor der gesamten Stadt verbergen konnten?
Doch Maurand schien mit ihrer Antwort zufrieden zu sein. »Sehr schön, sehr schön«, murmelte er und begutachtete mich von Kopf bis Fuß. »Für Leute wie Euch ist es ein großes Glück, eine so schöne Tochter zu haben.«
Scheinbar war er zu einem Entschluss gekommen. Er zog seine weichen Kalbslederstiefel wieder an und stand auf. »Ich verabschiede mich nun. Denkt über meine Worte nach! Ich werde Euch morgen wieder aufsuchen, um Eure Entscheidung zu hören.«
Er protzte mit einer kunstvollen Verneigung und verließ unser Haus.
Das Gesicht meines Vaters war vor unterdrückter Wut ganz bleich. Er hatte seine großen, schwieligen Hände zu Fäusten geballt.
»Was wollte er?«, fragte ich.
»Er wünscht, dich zur Frau zu nehmen, Madeleine«, sagte meine Mutter. »Das wäre natürlich ein großer Aufstieg für dich. Er besitzt Häuser in Toulouse und hier in Saint-Ybars nennt er nicht nur ein Gut sein Eigen, sondern auch ein prächtiges Stadthaus in der Nähe des Marktplatzes. Du würdest ein sorgloses, behagliches Leben führen.«
Ich blickte meinen Vater an. Er schwieg.
»Wenn du das möchtest«, fügte meine Mutter hinzu.
»Ich werde weder ihn noch jemand anderen seines Standes heiraten«, sagte ich und hörte selbst den schrillen, panischen Unterton in meiner Stimme. »Ich möchte Sicard heiraten.«
Ich konnte nicht glauben, dass sie mich zu einer Ehe zwingen würden, die ich nicht wollte.
Mein Vater lächelte und nickte mit dem Kopf. »Dann ist es ja gut, denn nichts im Leben würde mir mehr Vergnügen bereiten, als ihn abzuweisen und sein Gesicht nach dieser Beleidigung brennen zu sehen.«
Ich erwiderte meines Vaters Lächeln voller Erleichterung und Dankbarkeit. Er war kein armer Mann, aber durch diese Verbindung wäre er wirklich reich geworden. Die meisten anderen hätten das Angebot gewiss unwiderstehlich gefunden.
Ich glaube, dass ich ihn in jenem Augenblick mehr liebte, als ich jemals zuvor jemanden geliebt hatte.
*
Es war der Moment, kurz bevor die Sonne hinter den Bergen verschwindet, der Moment, in dem das Licht einfach vollkommen ist. Die fernen Hügel schienen auf einmal näher zu kommen, man hatte den Eindruck, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um jeden Felsen, jeden Stein berühren zu können, wenngleich sie eine Wegstunde entfernt waren. Auf den Bergen ringsum wachsen lediglich magere Zwergeichen, außerdem Thymian, Lavendel, Buchsbaum und eine immergrüne Heide, die wir Garrigue nennen. Doch an einem verzauberten Abend wie diesem schienen selbst die sonnenverbrannten Gräser, der Mohn und der gelbe Stechginster in üppiger Fülle aus dem dürren Boden zu schießen.
Ich beobachtete, wie unter uns der Bucklige Fulquet aus dem Osttor trat. Über seiner Schulter trug er die wenigen kläglichen Zwiebeln, die er auf dem Markt verkaufen wollte. Ein paar kleine Jungen liefen hinter ihm her, verspotten ihn und bewarfen ihn mit Steinen.
Ich spürte, wie Sicards Hand meinen Rücken streichelte. »Hast du gehört, was geschehen ist? Eine Frau aus Montazels hat ihr Gesicht im Weiher der Madonna gebadet und behauptet nun, dass sie von ihrer
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