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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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Toulouse lebten, wolltest du als Novizin ins Kloster gehen, und ich habe mich bemüht, es dir auszureden. Das würde ich nun nicht mehr tun.«
    Dieser letzte Satz überraschte mich. Ich begriff nicht, wohin diese Unterhaltung führen sollte. »Was willst du mir damit sagen?«
    »Entweder heiratest du Maurand oder du trittst ins Kloster ein. Das ist für uns alle das Beste. Falls Sicard deinetwegen zurückkommt, können wir später über eine Heirat reden. Aber es geht nicht, dass du mir weiterhin solche Schwierigkeiten machst.«
    Ich hatte mich auf die Geduld und Nachsicht meines Vaters verlassen, doch offenbar war dies ein Fehler gewesen. Heiße Tränen stiegen mir in die Augen. Ich konnte nicht glauben, was ich gerade von ihm gehört hatte. Ich wandte mich um und lief so schnell ich konnte nach Hause.
    Dort trat ich meiner Mutter gegenüber. Schuldbewusst und trotzig zugleich blickte sie mich an. Nun verstand ich, was geschehen war – sie hatte meinen Vater dazu gebracht, mich vor diese Entscheidung zu stellen.
    »Was hast du getan?«, stieß ich hervor.
    »Nein, Mädchen – was hast du getan?« Sie betrachtete meine Hände in den fingerlosen Handschuhen und dann meine Schuhe, die das durchsickernde Blut befleckt hatte.
    »Das hat nichts mit Sicard zu tun.«
    »Unsere Entscheidung auch nicht.«
    »Ich kann Maurand nicht heiraten!«
    »Du hast das Leben deines Vaters schon einmal zerstört. Ich lasse nicht zu, dass du ihm das ein zweites Mal antust.«
    Ich tobte. Ich flehte. Meine Mutter blieb unerbittlich. Ihre Kälte erschreckte mich und veränderte etwas in mir. Ich hatte geglaubt, dass meine Eltern immer auf meiner Seite stehen würden. Doch das Schicksal hatte eingegriffen, und nun gab es nur noch zwei Möglichkeiten. War ein Leben in Seide und Damast denn wirklich solch ein schweres Los, wenn man es mit dem in Habit und Schleier verglich?
    Keineswegs, denkt Ihr vielleicht. Doch in dem Fall würdet Ihr meinen Stolz außer Acht lassen.
     
    *
     
    Wir wussten zwar nicht, dass dies unser letzter gemeinsamer Feiertag sein würde, doch uns war klar, dass unsere Trennung bevorstand. Das machte uns leichtsinnig, sodass wir in den Wald liefen, vom Pfad abwichen und in das Dickicht eintauchten. Die Wälder rings um Saint-Ybars waren ein gefährliches Gebiet. Nach einiger Zeit stießen wir auf einen Hirsch. Er war so nah, dass wir ihn beinahe berühren konnten. Er blickte uns mit samtschwarzen Augen an, bevor er mit einem Satz im Unterholz verschwand.
    Sicard brütete vor sich hin. Er hatte kaum ein Wort gesprochen, seitdem wir die Stadtmauern hinter uns gelassen hatten. Mir waren diese Anfälle düsteren Schweigens wohl bekannt als Vorboten irgendeiner gewagten Tat. Wie zum Beispiel dem Versuch, mitten im Winter die Furt bei Serres zu durchschwimmen – das Ergebnis einer Wette, die Sicard in trunkenem Zustand mit einem anderen Steinmetz geschlossen hatte. Damals war er in die Strömung geraten und beinahe ertrunken.
    »Komm mit mir!«, rief er plötzlich.
    »Wohin?«
    »Nach Toulouse.«
    »Wie soll das gehen? Du kannst kaum für dich selbst sorgen, geschweige denn für eine Frau.«
    »Wir werden es schon irgendwie schaffen.«
    »Das würde mein Vater niemals erlauben.«
    »Es muss doch eine bessere Möglichkeit geben, man kann uns doch nicht einfach auseinander reißen.«
    »Besser für dich vielleicht.«
    »Ich lasse nicht zu, dass du das tust!«
    »Keiner von uns beiden kann etwas daran ändern.«
    Sicard lief ein Stück voraus und wandte sich dann um, sodass wir uns genau gegenüberstanden. »Das alles ist nicht meine Schuld.«
    »Meine auch nicht.«
    »Ach nein?« Er war so wütend, dass seine Hände zitterten.
    »Was ist denn los, Sicard?«
    »Was ist wirklich mit deinen Händen geschehen?«
    »Du glaubst also, dass ich mir diese Wunden selbst beigebracht habe?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du bist genau wie die anderen.«
    Ich wollte an ihm vorbeirennen. Er packte meinen Arm und hielt mich zurück.
    »Du tust mir weh.«
    »Nein, du tust mir weh!«, entgegnete er. »Warum hast du das gemacht? Konntest du dir nicht denken, was passieren würde?«
    »Glaubst du etwa, ich hätte das gewollt?«
    Sein Schmerz und seine Verwirrung waren offensichtlich. Er verstand es nicht, konnte es nicht verstehen.
    »Glaubst du, dass ich mir die ganze Sache ausgedacht habe?«, fragte ich ihn.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Ich weiß nur, dass vorher alles gut war.«
    »Im Frühling gehst du fort von hier, nach

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