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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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verkörperte – genauso wenig wie sein Vikar. Dies erstaunte mich, denn Mitglieder des Predigerordens der Dominikaner galten als weniger anfällig für Versuchungen als andere Mönche. Doch der Teufel ist überall, und wir sind seine Werkzeuge – zumindest behaupten das die Geistlichen. Mich beschlich die Ahnung, dass der Erzfeind – wie sie ihn nennen – einem von uns auf die Schliche kommen würde, noch bevor diese Herren Saint-Ybars verließen.

SUBILLAIS
    Als wir in Saint-Ybars eintrafen, wurden wir vom Gestank verkohlten Fleisches willkommen geheißen. Die Scheiterhaufen, auf denen man die angeblichen Häretiker verbrannt hatte, waren noch warm. Diese Demonstration von Frömmigkeit vermochte mich weder zum Narren zu halten noch zu ermutigen.
    Der Seigneur und seine Gattin erwarteten uns im Innenhof der Burg. Ich bemerkte einen Ausdruck argwöhnischer Überraschung auf ihren Gesichtern.
    »Haben hier Verbrennungen stattgefunden?«, fragte mein Vikar den Seigneur und stieg von seinem Maulesel.
    »Wie es regelmäßig der Fall ist. Wir dulden hier keine Häretiker, Vater.«
    Das musste erst noch bewiesen werden.
    Ich sollte erwähnen, dass wir, wenn schon nicht mit Begeisterung, so doch immerhin gastfreundlich in der Burg aufgenommen wurden. Da wir recht spät angekommen und von der Reise erschöpft waren, zogen wir uns gleich nach der Vesper und einem leichten Abendessen in unsere Gemächer zurück. Am folgenden Tag erhoben wir uns rechtzeitig für den Angelus. Ich las die Morgenmesse in der Kirche der Heiligen Maria Magdalena und predigte der Gemeinde von der Sündhaftigkeit der Ketzerei.
     
    *
     
    Ungefähr zur siebten Stunde wurden wir durch Trompetenstöße zum Mittagsmahl gerufen. Als wir durch die schwere Eichentür traten, stellten wir fest, dass bereits alle versammelt waren. Die Damen knicksten, und Raymond begrüßte uns an seinem Tisch mit Küssen. Wie seine persönlichen Gefühle uns gegenüber auch aussehen mochten – und dies galt es noch herauszufinden –, er behandelte uns äußerst zuvorkommend und hieß uns an seiner Seite Platz nehmen. Das Gefolge setzte sich an die Tische, die im rechten Winkel zur Haupttafel angeordnet waren.
    Diener brachten uns Silberschüsseln mit Rosenwasser, in denen wir unsere Hände wuschen. An den anderen Tischen wurden zu diesem Zweck Holzschüsseln herumgereicht. Alle wischten ihre Hände am selben Tuch ab, das am Ende dementsprechend schwarz war.
    Den Hofsitten des Südens gemäß saßen der Seigneur und seine Gattin Seite an Seite und benutzten gemeinsam eine Silberschale und einen silbernen Becher. Auch wir übrigen an der Haupttafel teilten uns jeweils zu zweit eine Silberschale. Die Diener legten dicke Scheiben weißen Brotes hinein, mit denen wir die Bratensäfte und die Saucen aufsaugen konnten.
    Nachdem ich den Segen gesprochen hatte, wurde das Essen aufgetragen. Der Weg von der Küche führte über einen offenen Hof, daher waren die Speisen nur noch lauwarm, als sie uns erreichten. Aber verglichen mit der einfachen Kost in unserem Priorat in Toulouse war dieses Mahl ein geradezu schändliches Vergnügen.
    Zunächst wurde uns eine Suppe aus Mandeln und Olivenöl serviert, gefolgt von einer Pastete, die mit Kabeljauleber und kleingehacktem Lachs gefüllt war. Dann brachten die Diener gebratene Drosseln, Stare und Grasmücken. Letztere galten im Süden als größte Delikatesse, wie mir unser Gastgeber erklärte.
    In Paris waren die Adelshöfe des Südens einstmals für ihre Minnesänger und Narren, für albernes, unflätiges Benehmen und Unzucht bekannt gewesen. Die Minnesänger waren inzwischen fast gänzlich verschwunden, denn die meisten ihrer Gönner hatten ihre Ländereien an Simon de Montforts Barone oder den König verloren. Und was die Unzucht betraf: In Gegenwart von Inquisitoren halten sich die Menschen meist zurück. Dasselbe galt anscheinend auch für derbes Gerede, wie ich erfreut feststellen konnte, denn die Gäste waren allesamt recht beherrscht. Es gab auch keine frivolen Vorführungen, mit denen sich Edelleute so gern die Zeit vertreiben, weder von Sängern noch von Gauklern oder Tänzern.
    Doch als ich mich gründlicher in der Halle umsah, beschlich mich der Verdacht, dass es sich eher um erzwungene denn um echte Sittsamkeit handelte. Ich beobachtete einen Herrn dabei, wie er einen Leckerbissen von seinem Teller nahm und ihn seiner Dame unter honigsüßem Geflüster in den Mund schob, woraufhin sie verschmitzt und kokett lachte. Ein

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