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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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diese Frage zu stellen. Seine Worte hatten eine solch enorme Kraft, dass die Gemeinde gebannt und mit aschfahlen Gesichtern lauschte.
    Ich hatte bereits auf den ersten Blick gemerkt, dass der Vater über eine gewisse Raffinesse verfügte. Während seiner Predigt holte er plötzlich einen menschlichen Schädel hervor und streckte ihn der Gemeinde entgegen. Und genau in dem Moment, in dem er von den Posaunen des Jüngsten Gerichts sprach, erklang draußen vor der Kirche das Schmettern einer Trompete, worauf einige Frauen vor Angst schrien und die Kinder zu weinen begannen.
    Mich erschreckte dies nicht so sehr wie manche andere, denn ich hatte Vater Bernard einige Augenblicke zuvor mit einem solchen Instrument aus der Kirche schleichen sehen und war daher vorbereitet. Aber ich muss sagen, dass dieser schlaue Einfall eine durchschlagende Wirkung auf die Armen unserer Stadt hatte.
    Am Ende seiner Tirade forderte Vater Subillais jene Einwohner von Saint-Ybars, die ihr Seelenheil durch Ketzerei gefährdet hatten, um ihrer unsterblichen Seelen willen auf, ihm gegenüber ein umfassendes, ehrliches Geständnis abzulegen sowie die Namen ihrer Komplizen zu nennen. Im Gegenzug werde der oder die Betreffende wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen und könne mit nachsichtiger Behandlung rechnen.
    Ich persönlich bezweifelte, dass es in Saint-Ybars oder unserem Nachbarort Redaux noch viele Ketzer übrig geblieben waren. Aber während ich den Vater predigen hörte, wurde mir klar, dass er seine Abtrünnigen finden würde. Er besaß ein hohes Maß an Entschlusskraft, und ein entschlossener Mann findet stets, wonach er sucht.
     
    *
     
    Raymond versuchte, unseren Gästen mit einem verschwenderischen Festmahl zu imponieren, doch meiner Ansicht nach waren Männer wie diese durch den Anblick und den Genuss von Köstlichkeiten nicht zu beeindrucken. Mein Gatte schien zu glauben, dass er Männer vom Schlag des Bischofs zu Gast hatte, der in der Tat sämtliche aufgetischten Weine, Braten und Dirnen verschlungen hätte.
    Der Schmaus bestand aus dem mit Schweineschmalz bestrichenen Kopf eines Keilers, Schweinebraten in Pfeffer-Wein-Sauce, Kaninchen in Mandelmilch, gebratenen Grasmücken, Leberpastete, Pasteten mit Schweinefleisch und Käse und sogar einem Fabelwesen, für das Kopf und Vorderstücke eines Ferkels am Rumpf eines Kapauns befestigt worden waren. Raymond ließ selbst Datteln und Pistazien servieren, die es nur für viel Geld auf Templerschiffen in Marseille zu kaufen gab. Dazu tranken wir Grenache und Weine aus Zypern. Als krönender Abschluss wurde ein ganzer Schwan hereingetragen, bei dessen Anblick die versammelte Gesellschaft nach Luft schnappte, genau wie beabsichtigt.
    Vater Subillais allerdings blickte nur noch verdrießlicher drein als zuvor.
    Ich war schon des Öfteren Männern wie ihm begegnet, die sich beinahe von Kindesbeinen an. ausschließlich von ihren Überzeugungen leiten lassen. Es war sein Vikar, der mich neugierig machte. Er hatte etwas Sinnliches, Weiches und Geheimnisvolles an sich. Zwar war er fromm und ernsthaft in seinen Anschauungen, doch mein weibliches Gespür sagte mir, dass er etwas verbarg, das nicht zum äußeren Eindruck passte.
    Subillais schien wenig geneigt, sich mit mir zu unterhalten, und als er schließlich doch das Wort an mich richtete, geschah dies lediglich, um mich über die Madonna am Teich auszufragen. Er wollte von mir wissen, was ich von dem Mädchen hielt, das die Vision gehabt hatte.
    Ich antwortete aufrichtig. Ich sagte ihm, dass das Mädchen der Kirche treu ergeben und ehrlichen Glaubens war.
    »Habt Ihr selbst auch einmal diesen Teich aufgesucht, um dort zu beten?«, besaß er die Kühnheit zu fragen.
    »Ich bin eine gute und treue Katholikin, Vater. Ich bete in der Kirche.«
    Er lächelte und neigte leicht den Kopf. »Es freut mich, das zu hören, Madame.«
    »Aber glaubt Ihr nicht, dass die Madonna sich in schweren Zeiten für uns einsetzen wird?«, wollte ich von ihm wissen.
    »Wir glauben an die Madonna, Madame, doch in einem Fall wie diesem könnte die Vision eher auf ein hysterisches Fieber zurückzuführen sein, für das Euer Geschlecht ja bekannt ist. Natürlich müssen wir auch sicherstellen, dass wir es hier nicht mit einem Werk des Erzfeindes zu tun haben.«
    »Der Teufel vermag in der Tat vielerlei Gestalt anzunehmen«, entgegnete ich. Der Gesichtsausdruck des Inquisitors verriet mir, dass er nicht jener fromme Vater war, den er nach außen hin so perfekt

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