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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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unbehaglich zumute. Selbst der Seigneur und seine sechs bewaffneten Begleiter schienen sich hier draußen nicht sicher zu fühlen.
    »Ich frage mich, warum die Köpfe fehlten«, sagte ich laut.
    »Das habe ich mich auch gefragt. Ich bin jedoch zu keiner Antwort gelangt.«
    »Vielleicht ein wildes Tier?«
    »Das waren sauber ausgeführte Hiebe, Vater. Die Verstümmelungen wurden mit einem Schwert vollbracht. Ich bin ein Krieger, Ihr könnt Euch auf die Richtigkeit meiner Worte verlassen.«
    Eine derartige Schändung war gottlos. Ein Christ musste mit vollständigem Leib beerdigt werden, denn am Tag des Jüngsten Gerichts wurde seine Seele dem wieder belebten Körper zurückgegeben. Dies hier war das Werk des Teufels.
    Ich bemerkte einen Schatten, der sich zwischen den Bäumen zu unserer Rechten davonstahl. Eine Frau – oder war es ein Kobold?
    »Habt Ihr genug gesehen, Vater?«, erkundigte sich Raymond.
    »Da drüben! Seht ihr das?« Ich zeigte auf die davonhuschende Gestalt. Sie trug eine Kapuze und war zwischen den Bäumen kaum zu erkennen.
    »Nur ein altes Weib, Vater.«
    »Für ein altes Weib läuft sie aber recht schnell. Und was hat sie hier draußen zu suchen?«
    Ich stieg wieder auf mein Pferd und galoppierte dem Weibsbild hinterher – falls es sich denn um ein solches handelte. Tief hängende Äste zwangen mich, ständig den Kopf einzuziehen, und mehrmals wäre ich um ein Haar gestürzt. Ich bin ein ungeübter Reiter und verlor die Spur der Frau schon bald. Ich hatte jedoch einen flüchtigen Blick auf sie erhaschen können.
    Plötzlich scheute mein Ross vor einem umgestürzten Baum. Ich rutschte aus dem Sattel, konnte mich allerdings mithilfe der Steigbügel und Zügel wieder aufrichten. Als ich mich nach den anderen umsah, musste ich feststellen, dass ich allein war. Ich rief nach Raymond und der Eskorte, doch es kam keine Antwort.
    Ich vernahm kein einziges Geräusch, noch nicht einmal den Laut eines Vogels. Und ich war unbewaffnet.
    Der Teufel wählte just diesen Moment, um mich zu verspotten. Unmittelbar vor mir entdeckte ich eine Art Schrein, ein Loch, das in den Stamm eines großen Baumes gehauen war. Vorsichtig näherte ich mich, überzeugt davon, dass das alte Weib von eben diesem Ort gekommen war. In der Nische stand eine kleine, schwarze Frauenfigur, die der Madonna ähnelte. Ihr zu Füßen befanden sich frische Blumen und Reste von Kerzenwachs.
    Ich griff nach dem Götzenbild, in der Absicht, es auf dem Boden zu zerschmettern, doch es war aus einem harten, schwarzen Holz geschnitzt, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es würde im Feuer vernichtet werden müssen, wie alles Böse.
    Auf einmal hörte ich Stimmen und verspürte eine Woge der Erleichterung. Zwischen den Bäumen tauchte der Seigneur auf, gefolgt von seinen Begleitern. Auch Bruder Donadieu erschien hinter ihnen. Er war bleich vor Sorge.
    Ich winkte ihnen zu und rief, dass ich unverletzt sei.
    »Vater! Wir dachten, wir hätten Euch verloren.«
    »Ich wollte dieses alte Weib aufspüren, doch es ist fort. Habt Ihr es nicht gesehen?«
    »Ich habe keine Frau gesehen, Vater«, sagte Bruder Donadieu. Offenbar war er der Ansicht, dass es auch gar keine alte Frau gegeben hatte, das verriet mir sein Tonfall. »Es war unklug, einfach so davonzureiten, Vater. In diesen Wäldern streifen Bären und Räuber umher, und du bist unbewaffnet.«
    »Der Herr beschützt seine Diener.« Ich streckte dem Herrn von Saint-Ybars die gedrungene, teuflische Skulptur entgegen. »Seigneur Raymond, kommt Euch das hier bekannt vor?«
    Er erblasste. »Wo habt Ihr das gefunden?«
    »In dem Baum dort drüben.« Ich packte die Zügel seines Pferdes. »Ihr sagt, dass Ihr keine Häretiker auf Eurem Land beherbergt, Seigneur?«
    »Keine, von denen ich wüsste, Vater.«
    »Der Teufel treibt direkt vor Eurer Nase sein Unwesen.«
    »Man kann schwerlich von mir erwarten, unter jedem Strauch im Wald nach Ketzern zu suchen.«
    Ich glaubte ihm. Er würde nicht so töricht sein, vorsätzlich Häretiker zu unterstützen. Doch offenkundig hatte er nicht genug Sorgfalt darauf verwandt, die Gottlosigkeit in dieser Gegend auszurotten.
    »Der Teich der Madonna liegt in dieser Richtung«, sagte er mit einer Handbewegung. »Wir sollten unseren Weg fortsetzen.«
    »Zuvor werden wir ein Feuer entfachen und diesen Dämon verbrennen, damit ihn niemand mehr anbeten kann. Außerdem wünsche ich, dass Eure Männer den Baum fällen.«
    »Aber das wird viel Zeit in Anspruch nehmen, Vater. Und es

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