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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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Schwestern und wünschte mir, bei ihnen zu sein.
    »Man hat Euch der Hexerei und Ketzerei beschuldigt.«
    Die Äbtissin schnappte nach Luft. Ich selbst erstarrte. Ich war wie betäubt und vermochte kaum zu atmen.
    »Habt Ihr gehört, was ich gesagt habe, Madeleine de Peyrolles?«
    »Wer beschuldigt mich?«, stieß ich hervor.
    »Das ist nicht von Belang.«
    »Wie kann ich mich verteidigen, wenn Ihr mir dies verheimlicht, Euer Exzellenz?«
    »Unschuld ist stets die beste Verteidigung. Ihr habt Euch bisher noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.«
    »Natürlich bin ich unschuldig! Ich bin keine Hexe! Ich bin eine Novizin dieses Klosters, Euer Exzellenz. Ich möchte nichts anderes sein als eine Dienerin Gottes.«
    »Eure Eltern haben Euch hierher geschickt, weil Eure Geschichten von Visionen unter Euren Mitbürgern Unruhe stifteten.«
    Die Äbtissin ergriff zum ersten Mal das Wort. »In diesem Kloster widmen wir unser Leben Gott und der Ordensregel des Heiligen Benedikt.« Ich glaube, dass sie in erster Linie sich selbst und die Abtei verteidigen wollte, aber ihre Unterstützung war mir nichtsdestotrotz willkommen.
    Hexerei und Ketzerei! Bisher hatte ich die möglichen Folgen meiner Vision erfolgreich verdrängt. Nun musste ich mich der drohenden Strafe stellen. Gedanken an Kerkerhaft und sogar den Tod schossen mir durch den Kopf. Und was würde mit meinem Vater und meiner Mutter geschehen? Hatte ich ihnen nicht schon genug Kummer bereitet?
    Erst nach langem Schweigen richtete der Mönch erneut das Wort an mich. »Hat die Frau, die Ihr saht, sich Euch gegenüber als die Heilige Jungfrau zu erkennen gegeben?«
    Ich hatte eine Frage über Hexerei und Ketzerei erwartet und war verwirrt.
    »Nun?«
    »Nein, Euer Exzellenz.«
    »Ich verstehe.« Wieder seufzte er. »Madeleine de Peyrolles, Ihr werdet mich zur Burg von Saint-Ybars begleiten. Von dort reiten wir zurück nach Toulouse, wo man Euch einer eingehenderen Befragung unterziehen wird. Es ist unsere Pflicht, die Wahrheit herauszufinden.«
    Ich wurde glücklicherweise nicht von Wachen aus dem Kapitelsaal hinausgeführt, denn das war hinter Klostermauern nicht nötig. Ich kehrte allein in meine Zelle zurück, um zu beten und darüber nachzudenken, was nun aus mir werden sollte. Mein Geheimnis war endgültig öffentlich geworden. Gewiss würden die Mönche zu dem Schluss kommen, dass ich vom Teufel besessen war – was ich bereits selbst vermutete. Ich saß in der Zelle vor dem kleinen Holzkruzifix über meiner Schlafstätte und betete. Es war die Madonna, die ich um Beistand anflehte, während draußen die Nacht hereinbrach.
     
    *
     
    Ich fand keinen Schlaf, obwohl meine Augen vor Müdigkeit brannten. Jedes Mal, wenn ich erschöpft die Lider schloss, ließ mich panische Angst kurz darauf wieder hochschrecken.
    Einige Zeit vor der Matutin vernahm ich ein leises Klopfen an der Tür und öffnete sie im Glauben, es sei die Äbtissin. Doch es war der Mönch, das Gesicht noch immer unter der Kapuze verborgen.
    »Schwester Madeleine, kann ich mit Euch sprechen?«
    Hätte ich erstaunt sein sollen, dass ein Mönch mitten in der Nacht allein vor der Zelle einer Novizin stand? In diesem Fall erstaunte es mich keineswegs. Ich hatte ihn trotz der Kapuze wieder erkannt, schon in jenem Moment, da er im Kreuzgang vom Pferd gestiegen war. Ich erkannte ihn an seiner Haltung und an seinem Gang.
    Jetzt hielt ich meine Nachtkerze in die Höhe. Sie spendete nur wenig Licht, dennoch erkannte ich, dass die vergangenen drei Jahre ihn verändert hatten. In seinen strahlend blauen Augen funkelten noch immer Inbrunst und Leidenschaft, und sein Gesicht wirkte nach wie vor jugendlich. Doch er war nicht mehr der langgliedrige, schlanke Priester, den ich in Erinnerung hatte. Er hatte Fleisch angesetzt, das weich war wie Teig. Unvorstellbar, dass ich einmal glühende Gefühle für ihn hegte!
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ein Teil von mir wünschte, sich in seine Arme zu flüchten, allerdings wohl eher aus Angst denn aus Zuneigung. Anders als damals sah ich nun keinerlei Verlangen in seinem Gesicht. Ich schämte mich – es war meine Sünde gewesen, nicht die seine.
    »Was ist nur aus uns geworden!«, murmelte er.
    Ich brachte keinen Ton heraus.
    »Erinnert Ihr Euch? Euer Vater bat mich vor Jahren, Euch davon zu überzeugen, nicht in ein Kloster einzutreten.«
    »Ich erinnere mich.«
    »Welch bitterer Scherz, dass es nun so gekommen ist.«
    »Ihr seid Mitglied der Heiligen Inquisition?«
    »Ich

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