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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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nicht, ob ich ihnen damit einen Gefallen hatte erweisen wollen oder ob ich aus reiner Feigheit geschwiegen hatte.
    Als ich in der Burg eintraf, saßen ein paar Knappen und Söldner vor dem Kamin in der großen Halle und tranken. Hunde suchten im Stroh nach Brocken, die vom Abendessen übrig geblieben waren. Schon bald würden sie alle sich zum Schlafen auf dem Boden zusammenrollen.
    Bruder Subillais’ Zustand hatte sich verschlechtert, er fantasierte und wälzte sich hin und her. Übler Gestank von seinem Bein umgab ihn. An seinem Bett stand leichenblass der junge Mönch, den er als seinen Gehilfen mitgenommen hatte. Er hieß Isarn und besaß noch die glatten Wangen eines Knaben.
    Ich übergab ihm den Beutel mit den Kräutern und wiederholte Sybille de Peyrolles’ Anweisungen für den Wickel. Dann goss ich eine kleine Menge des Schlaftrunks in einen Becher und zwang ihn mit Isarns Hilfe zwischen Bruder Subillais’ Lippen. Ich hegte nur geringe Hoffnung, dass der Wickel eine Wirkung zeigen würde.
    Ich beschloss, am folgenden Morgen zum Kloster zu reiten. Ich würde Isarn und unseren Notar in der Burg zurücklassen und nur die Diener mitnehmen, denn ohne Bruder Subillais vermochte ich ohnehin keinerlei Untersuchungen durchzuführen, selbst wenn ich gewollt hätte. Ich rechnete damit, dass mein Ordensbruder bei meiner Rückkehr tot sein würde. Ich würde ihn begraben und Madeleine de Peyrolles mit nach Toulouse nehmen. Und damit würde die Sache erledigt sein.
    Ich hörte den Teufel lachen.
    Und damit würde die Sache erledigt sein!
    Ich bemerkte, dass ich den Krug mit dem Belladonnatrank noch immer nicht abgestellt hatte. Es ist ein seltsames Gefühl, den Tod in den Händen zu halten. Nicht, dass ich konkrete Pläne gehegt hätte. Doch etwas in mir weigerte sich, den Krug herzugeben.

MADELEINE
    Ich sah sie schon von weitem kommen: erst kleine Flecken auf der Straße, dann Silhouetten, die sich von den schneebedeckten Bergen abhoben. Nach und nach wurden aus den Silhouetten fünf berittene Männer, einer im schwarzen Umhang eines Dominikaners, vier mit Helmen und Schwertern. Ich wusste, wer sie waren und aus welchem Grund sie hierher kamen.
    Ich beobachtete ihre Ankunft vom Fenster meiner Zelle aus. Die Holztore der Abtei wurden geöffnet, und Pferdehufe klapperten über das Kopfsteinpflaster des Kreuzgangs. Der Mönch stieg ab und wurde von der Äbtissin willkommen geheißen. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, da er seine Kapuze nicht zurückschlug.
     
    *
     
    Irgendwo in den Bergen heulte ein hungriger Wolf. Die Äbtissin selbst holte mich kurz vor der Vesper in meiner Zelle ab und führte mich durch die düsteren Korridore. Die Kerze in ihrer rechten Hand flackerte unruhig.
    Sie brachte mich zum Kapitelsaal, in dem der Mönch bereits auf mich wartete. Als die Glocke der Kapelle zur Vesper läutete, hörte ich die Schritte meiner Mitnovizinnen im Kreuzgang.
    Die Äbtissin hatte diesen Zeitpunkt gewählt, um sicherzustellen, dass wir nicht gestört wurden.
    Der Saal wurde von einigen Talgkerzen erhellt, deren schwarzer Qualm sich hartnäckig in der Luft hielt. Doch selbst bei Tageslicht hätte ich das Gesicht des Mönches nicht sehen können, denn noch immer verbarg die Kapuze seinen Kopf. Seine Atemwolken waren das einzige Anzeichen dafür, dass überhaupt jemand unter dem Gewand steckte. Er verharrte bewegungslos am Fenster und starrte durch die offenen Läden auf den dunklen Kreuzgang.
    Ich wartete und wartete. Die Äbtissin wich meinen Blicken aus.
    »Wie lautet Euer Name?«, fragte der Mönch unvermittelt. Überrascht fuhr ich zusammen. Seine Stimme klang sanft und scharf zugleich.
    »Madeleine de Peyrolles.«
    »Wie alt seid Ihr?«
    »Ich bin zwanzig Jahre alt, Euer Exzellenz.«
    »Und Ihr seid Novizin in diesem Kloster?«
    »Ja, Euer Exzellenz.«
    Offenbar hatte er nicht die Absicht, sich mir vorzustellen.
    »Ihr behauptet also, auf dem Mont Berenger die Heilige Jungfrau gesehen zu haben?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
    »Nun? Heraus mit der Sprache!«
    »Ich habe eine Dame gesehen, in den Bergen über der Stadt. Ich weiß nicht, wer sie war.«
    »Ihr habt allen erzählt, Ihr hättet eine Erscheinung gehabt.« Meine Zurückhaltung schien ihn zu reizen.
    »Ich weiß nicht, wie ich beschreiben soll, was ich sah.«
    Ich nahm an, dass er noch weiter in mich dringen würde, doch stattdessen seufzte er und wandte sich vom Fenster ab. Aus der Kapelle hörte ich den Vespergesang meiner

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