Die Novizin
ab.
SUBILLAIS
Gepriesen seien Gott und der Heilige Dominik, die über meine Genesung wachten. Natürlich würde es lange dauern, bis mein Bein geheilt war, aber die Krankheit, die mich beinahe das Leben gekostet hatte, war besiegt.
Eine Zeit lang war mein Körper ein Schlachtfeld für Gott und den Teufel gewesen, und der Erzfeind kämpfte nicht nur um mein Fleisch, sondern auch um meine Seele. Es war diese junge Frau, diese Madeleine de Peyrolles, durch die er sich Zutritt verschaffen wollte. Das hatte ich von Anfang an gewusst. Sie war es, die meinem Körper dieses Leid zugefügt hatte. Sie rief die Krähe herbei. Sie war die schwarze Katze, die aus den Büschen sprang und mich den felsigen Pfad hinunterstürzen ließ. Ich konnte in jenen abscheulichen, gelben Augen eine Frau erkennen.
Sie wollte mich vernichten.
Ich bringe es nicht über mich, die obszönen Bilder zu beschreiben, die in den Fieberträumen meines Siechtums zu mir kamen. Ihrer lüsternen Natur nach konnten sie nur einen Urheber haben, denn ich hatte noch nie zuvor wollüstige Gefühle für eine Frau gehegt, wie Gott der Allmächtige weiß. Ohne Zweifel wurde mir ein Sukkubus in Gestalt der Eleonore de Saint Ybars geschickt. Nur der Teufel selbst hätte dermaßen grausame und widernatürliche Bilder heraufbeschwören können.
Alle Arten von nackten Dämonen trieben vor meinen Augen Unzucht und hatten ihr Vergnügen an meinem Fleisch, und ich war unfähig, zu schreien oder ihren Versuchungen zu entkommen. Ich war unschuldig, ich beging keine Sünde, denn dies waren nicht meine Gedanken, sondern diejenigen des Teufels. Dennoch ließen seine Attacken eine tiefe Wunde in meiner Seele zurück, die selbst meine Gesundung nicht zu heilen vermochte.
Während ich krank darniederlag und mein Vikar sich im Kloster Beausaint aufhielt, wurde der Pfarrer des nahe gelegenen Dorfes Redaux ermordet. In jenen dunklen Tagen war der Höllenfürst überall in unserem Land anzutreffen und verhöhnte Gottes Gebote, doch ich war entschlossen, ihn an die Kandare zu nehmen.
Da mein Zustand es mir auf absehbare Zeit nicht erlauben würde, zu reisen, war es mir unmöglich, mit den Gefangenen nach Toulouse zurückzukehren. Daher entschied ich, meine Untersuchungen in Saint-Ybars zu betreiben. Die Aussagen konnten in der Wachstube im Kerker des Château aufgenommen werden. Der Seigneur versprach, dafür zu sorgen, dass ich jeden Tag in einer Sänfte dorthin getragen wurde.
Ich war sehr darauf erpicht, endlich meine Pflichten wieder aufzunehmen.
Seit zehn Jahren erforschte ich schon den menschlichen Geist, wagte mich in die feuchten Korridore der Gedanken, erklomm die Wendeltreppen zu verborgenen Türmen und verbotenen Bibliotheken. Ich suchte in dunklen Ecken nach zersetzender Fäulnis. Meine Aufgabe bestand darin, ein Wächter sowohl über Gedanken als auch über Taten zu sein, denn ein sündiger Gedanke ist ebenso schlimm wie eine sündige Tat, wie Jesus gesagt hat.
Es ist die Orthodoxie, die unsere Heilige Kirche schützt, ohne Dogmen sind wir wie Staub, der im Wind verweht.
Der Glaube hilft uns, den Hunger nach Erkenntnis, jene große Sünde, zu beherrschen. Eben diese Gier nach Erkenntnis brachte uns die Vertreibung aus dem Paradies. Denn bei jenen, die nicht im wahren Glauben gebildet sind, kann Wissensdurst nur in die Sünde führen.
Es ist der Glaube in all seiner Reinheit, der bewahrt werden muss.
Also begannen wir mit unserer Untersuchung, schoben die Vorhänge aus menschlichen Worten beiseite, um dahinter blicken zu können. Der Heilige Augustinus hat geschrieben: »Menschen mögen sprechen und ihre Worte mögen gehört werden – doch wessen Gedanken kann man durchdringen, wessen Herz durchschauen?«
Dies war unser Auftrag – tief zu graben und die reinen, kostbaren Adern der Wahrheit aufzuspüren. Unsere Reise in den menschlichen Geist war zum größten Teil eine korrumpierende Mühsal, voller Verderbtheit und mit unvorstellbaren Abwegen. Der Gestank konnte zuweilen unerträglich sein. Die Wahrheit, müsst Ihr wissen, ist keineswegs schön.
Nur der Glaube ist rein und vollkommen.
*
Schwester Agnes aus der Abtei Beausaint wurde uns vorgeführt. Unglaublich, dass diese Frau überhaupt in einem Nonnenkloster Aufnahme gefunden hatte! Sie war geradezu scheußlich anzusehen. Ihr Schleier war entfernt worden, sodass ihr kurz geschorenes Haar zum Vorschein kam. Sie war einen Kopf größer als ihr Bewacher, ein Berg von Fleisch mit einem riesigen
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