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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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die Obamas im Gegensatz zu den anderen Eltern nicht auf Postkarten warten mussten, um zu erfahren, wie es ihrer Tochter im Ferienlager ging. Die Bodyguards erstatteten ihnen regelmäßig Bericht. Michelle, stets wachsam, hatte eine Möglichkeit gefunden, Malia auch aus der Ferne im Auge zu behalten.

Kapitel 11: Happy Birthday, Mr. President
    Juni – September 2010
    D ie Zwischenwahlen hingen wie ein Damoklesschwert über dem Weißen Haus. Alle wussten, was passieren würde: Die Demokraten würden die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren, die sie vier Jahre zuvor mit Blut, Schweiß und Tränen wieder gewonnen hatten, und wenn der neue Kongress erst einmal vereidigt war, würden die meisten Gesetzesvorhaben des Präsidenten mit ziemlicher Sicherheit hinfällig werden. Monatelang war der Kongress lahmgelegt. Den ganzen Sommer über taumelte die Administration bereits unter dem Schlag, der noch gar nicht geführt worden war, und spielte vor der Zeit all die Rituale durch, die sonst
nach
einer Niederlage üblich sind – Katzbuckeleien, erboste Schuldzuweisungen, demonstrative Gleichgültigkeit.
    Es schien kaum etwas zu geben, worauf man sich freuen konnte: Das Weiße Haus hatte einen »Sommer der Erholung« ausgerufen, aber die Wirtschaft erholte sich nicht. Den Wirtschaftsexperten des Präsidenten waren nach wie vor die Hände gebunden, was die Verringerung des Haushaltsdefizits anging. Die Energie-Gesetzgebung scheiterte im Senat. Und nach den Zielen des Präsidenten für den Rest seiner ersten Amtszeit gefragt, gaben die Berater nur ausweichende Antworten. Der Präsident selbst sprach von der Umsetzung der Gesundheits- und der Finanzreform, von Korrekturen des Systems und des Beamtenapparats – nicht gerade faszinierende, mitreißende und visionäre Themen. »Obama ist am besten, wenn er voller Hoffnung ist«, sagte ein Mitarbeiter, aber Hoffnung war Mangelware.
    Obamas Verhältnis zu Rahm Emanuel war neuerdings durch eine seltsame Mischung aus Abhängigkeit und Widerstand geprägt. Für die Außenwelt und sogar einen Teil des Westflügels wirkten die beiden wie ein einträchtiges Gespann, doch Obamas Stabschef harmonierte weder dem Temperament nach noch in seinen Ansichten mit ihm. Die nahenden Zwischenwahlen markierten den unausweichlichen schmerzhaften Höhepunkt ihrer seit anderthalb Jahren bestehenden Differenzen. Obama verfolgte die Wahlkämpfe zwar, aber fand Mitarbeitern zufolge, dass er letztlich nicht für die Wahlergebnisse verantwortlich sei – eine ungewöhnliche Haltung für das ohne Zweifel prominenteste Mitglied seiner Partei. Emanuel aber war geradezu besessen von den bevorstehenden Wahlen. Unter seinem Kommando hatten die Demokraten 2006 die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobert – zum Teil mit von ihm handverlesenen und sorgsam aufgebauten Kandidaten –, und jetzt würden viele von ihnen ihren Sitz wieder verlieren. Für Emanuel urteilten die Wähler damit stellvertretend die Politik des Präsidenten ab. Je deutlicher sich abzeichnete, dass viele der von Emanuel unterstützten Abgeordneten nicht wiedergewählt werden würden, desto schwieriger wurde sein Job im Weißen Haus. Seine Kollegen wussten, was im Busch war, doch Emanuel war überzeugt, dass sie die Lage nicht wirklich durchschauten, »so als habe er unter lauter Blödmännern als Einziger den Durchblick«, wie es ein Mitarbeiter formulierte. Mehrere andere Mitarbeiter äußerten sich ähnlich über Emanuels Einstellung in jenem Sommer: Er handle immer noch so, als führe er nach wie vor den Vorsitz im DCCC , dem demokratischen Kongress-Wahlausschuss.
    Genau davor hatte Chris Edley, der Dekan der Juristischen Fakultät in Berkeley, Obama zu warnen versucht: Emanuel sei zu sehr darauf konzentriert, die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erhalten, und deshalb falle es ihm schwer, die Bedürfnisse der Legislative von denen der Präsidentschaft zu trennen. Rahm wollte nicht, dass das Weiße Haus etwas unternahm, was den ohnehin geschwächten Demokraten schaden konnte; der Präsident ließ sich davon jedoch nicht beirren und hielt sich strikt an seine eigene Agenda.
    Im Frühjahr und Frühsommer 2010 sprachen der Präsident und sein Stabschef noch regelmäßig miteinander, und am Ende eines Tages unternahmen sie oft lange Spaziergänge auf dem South Lawn. (»Ah, die Jungs vertreten sich wieder die Beine«, meinte die First Lady dann immer.) Emanuel bestritt später, dass er jemals in der Defensive gewesen

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