Die Obamas
Ausscheiden ohnehin geplant zu haben.) Von den persönlichen Beratern des Präsidenten blieb nur Jarrett im Amt, die längst ihre Wohnung in Chicago verkauft hatte und mittlerweile sozusagen zur Familie gehörte.
Das Weiße Haus unter Obama mochte bis dahin von Streitereien und Chaos geprägt gewesen sein, aber es hatte auch etwas von der Vertrautheit und den Bindungen einer zwar schlecht funktionierenden, jedoch eng zusammenstehenden Familie. Seit der Umstrukturierung wirkte es eher wie ein moderner Betrieb, voll durchorganisiert im Hinblick auf Planungsprozesse, mit Hierarchien und Strukturen. Barack Obamas Welt wurde jetzt weitgehend von zwei Männern bestimmt: von William »Bill« Daley und David Plouffe, beides ehemalige Manager von Präsidentschaftswahlkämpfen, beide wortkarg und strategisch geschult. Daley, der neue Stabschef, war einerseits ein Anhänger Obamas – und andererseits auch wieder nicht. Selbstverständlich stammte auch er aus Chicago, seine Familie hatte schon einige Bürgermeister gestellt, und er beriet den Präsidenten bereits seit Jahren hinter den Kulissen, wo er als hochkarätiger »Feuerwehrmann« gedient hatte. Sein von Natur aus dickes Fell war noch dicker geworden, seit er Al Gores Wahlkampf 2000 gegen George W. Bush geleitet hatte, der in einer verheerenden, umstrittenen Niederlage endete. Daley war Banker, er sollte das gestörte Verhältnis der Regierung zur Wirtschaft verbessern, immun gegen ein allzu sentimentales Beharren auf Obamas Idealen. Wenige Monate zuvor hatte er in einem Interview mit Peter Baker von der
New York Times
unverblümt erklärt, das Festhalten an der Gesundheitsreform sei ein Fehler gewesen, und die Ansicht vertreten, die Wahl 2008 habe gezeigt, »dass wir uns nach dreißig Jahren Mitte-Rechts-Regierungen in Richtung Mitte-Links bewegt haben – aber nicht nach links«. [70]
David Plouffe kam für David Axelrod. Die beiden Männer waren eng befreundet, aber sie waren in ihrer Arbeitsweise sehr verschieden. Axelrod, von Natur aus emotional und extrovertiert, war ein Mann der Worte und großer Gefühle, der sich in einer Rede um den richtigen Ton bemühte, der die Legende Obamas weiterspinnen wollte – eine Geschichte, die seit Januar 2009 zunehmend an Glaubwürdigkeit verloren hatte. Plouffe, zurückhaltend und bescheiden, war ein Denker und Stratege. Er hatte Obama 2008 unter anderem mit purer Mathematik zum Sieg verholfen, indem er den Kalender mit den einzelnen Wahlterminen studiert und herausgefunden hatte, wie man selbst geringfügige Veränderungen von Bevölkerungszahl und -zusammensetzung zu Obamas Vorteil nutzen konnte. Im Gegensatz zu Axelrod stammte er aus Washington und hatte schon als stellvertretender Stabsleiter unter Dick Gephardt gedient, als dieser Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus gewesen war.
Obama stand vor der schwierigen Frage, wie er eine Brücke zu den republikanischen Kongressführern schlagen sollte. Paradoxerweise musste er, wollte er die Republikaner besiegen, zunächst ein besseres Verhältnis zu ihnen aufbauen, um in der Öffentlichkeit Optimismus zu beweisen und zu zeigen, dass er wie versprochen als Präsident über den Parteien stand.
Aber viele Republikaner, und nicht nur die Tea-Party-Mitglieder im Kongress, verachteten Obama aus tiefster Seele. Obama liebte die Republikaner auch nicht gerade, aber Hass und Verachtung gehörten nicht zu seinem emotionalen Vokabular. (Selbst während der erbittert ausgefochtenen Vorwahlen 2008 hatte er nie einen solchen Hass auf Hillary Clinton empfunden wie manche seiner Berater.) Wenn er von den Republikanern sprach, dann eher mit Verbitterung oder einer gewissen Geringschätzung, weil er den Eindruck hatte, dass ihre Vorwürfe gegen ihn allein dem Motiv entsprangen, die Wähler gegen ihn aufzuhetzen, berichtete einer der wenigen Republikaner, mit denen der Präsident regelmäßig zusammentraf. Er verabscheute Speichelleckerei genauso wie übermäßiges Pathos (Sätze, die nur auf Applaus abzielten, nannte er »rohes Fleisch«, als bestünde das Publikum aus hungrigen Tieren). Die Feindseligkeit, die ihm aus den Reihen der republikanischen Partei entgegenschlug, passte in sein Bild, dass Politik eine einzige große Lüge war – eine Überzeugung, die ihn im Sommer 2009 auch blind gemacht hatte für die realen Ängste der Bevölkerung, die hinter der Ablehnung seiner Gesundheitsreform steckten.
Bei einem der regelmäßigen Mittagessen im privaten Speisezimmer mit Tom
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