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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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Holocaust-Museum erschossen hatte, fand die Polizei Hinweise, dass der Täter es eigentlich auf David Axelrod abgesehen hatte. Kurz darauf sah sich der Präsident gezwungen, eine Verfügung zu unterzeichnen, in der er für seine engsten Berater Personenschutz anordnete.
    Es sah ganz so aus, als hätten sich die schlimmsten Befürchtungen der Obamas in Bezug auf das öffentliche Leben schließlich bewahrheitet, und das Gewaltszenario, das seit Jahren wie ein Damoklesschwert über ihnen hing, war wahr geworden, auch wenn sie nicht persönlich betroffen waren. Eine beliebte Kongressabgeordnete war schwer verletzt worden, und ein Mädchen, fast im selben Alter wie ihre jüngste Tochter, sowie fünf weitere unschuldige Menschen waren tot. Wer würde noch in die Politik gehen wollen, wenn mit so etwas gerechnet werden musste?
    Der Präsident und Eric Holder hatten sich schon den Nachmittag über mit den Spitzen des Polizeiapparats beraten, und nun sprachen sie noch stundenlang mit Jarrett und ihren Ehefrauen dar-über. Wir müssen eine Möglichkeit finden, die Art zu ändern, wie Politik gemacht wird, lautete die einhellige Meinung.
    In der folgenden Woche trauerte Washington, der Kongress hatte seine Arbeit eingestellt. Schweigeminuten wurden abgehalten, auch eine mit den Obamas vor dem Weißen Haus, und es gab viele Diskussionen darüber, ob die Abgeordneten jetzt rund um die Uhr beschützt werden müssten. Mittlerweile war allerdings bekannt, dass der Schütze, ein Mann namens Jared Lee Loughner, psychisch krank war und sein wirres Gerede auf keine klare Ideologie schließen ließ. Dennoch herrschte in der Hauptstadt Angst.
    Bisher hatte Obama nur selten öffentliche Trauerreden halten müssen, wie es die Rolle des Präsidenten in solchen Fällen vorsah. Jetzt aber bereitete er sich auf eine Rede bei einem Gedenkgottesdienst für die Opfer vor, der vier Tage nach dem Attentat stattfinden sollte. Es war nicht absehbar, was er sagen würde: Würde er die Republikaner an den Pranger stellen und Kritik üben an ihren Hetzreden, bei denen es nur um Stimmungsmache ging? Was ließ sich sagen, angesichts der toten neunjährigen Christina Taylor in ihrem Kindersarg? Würde seine Rede wieder so kraftlos und enttäuschend sein wie die anlässlich der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko?
    Am 12 . Januar um 1 . 20  Uhr nachts schickte er seinen Beratern eine E-Mail mit dem Text seiner Rede. [72] Am Mittag saßen er und die First Lady in Tucson am Bett von Giffords, und um 18 . 45  Uhr stand Obama an einem Rednerpult in der University of Arizona. Und obwohl es sich um einen Gedenkgottesdienst handelte, wurde der Präsident mit tosendem Applaus empfangen, den er ernst entgegennahm.
    Er begann seine Rede mit bescheidenen Worten, sprach nicht als Präsident, sondern als einer der Tausenden von Trauergästen und der Millionen vor den Fernsehschirmen: »Ich bin heute Abend als Amerikaner hergekommen, der wie alle Amerikaner niederkniet, um mit Ihnen gemeinsam zu beten und morgen an Ihrer Seite zu stehen«, sagte er. In schlichten Worten beschrieb er, wie sich die Tragödie abgespielt hatte, indem er mit einer »uramerikanischen« Szene, wie er es nannte, begann: Eine Kongressabgeordnete spricht vor einem Supermarkt zu ihren Wählern. Obama fand Worte für jedes Opfer, von George Morris, der vergeblich versucht hatte, seine Frau Dorothy vor den Kugeln zu schützen, bis hin zu Christina, dem einzigen Mädchen in einer Baseballmannschaft der Kinderliga. Gegen seine Gewohnheit las Obama von Papier ab statt vom Teleprompter.
    Michelle saß in der ersten Reihe, neben Mark Kelly und ein paar Plätze entfernt John und Cindy McCain. Sie hing mit tränenfeuchten Augen an den Lippen ihres Mannes.
    »Es hat uns das Herz gebrochen«, sagte er kopfschüttelnd mit bebender Stimme. Dann kam er auf Gabrielle Giffords zu sprechen. Er sei gerade bei ihr im Krankenhaus gewesen, sagte er und ließ einen Augenblick verstreichen. »Und ich darf Ihnen sagen – Gabrielles Mann Mark ist hier und hat mir erlaubt, Ihnen das mitzuteilen …« Die First Lady umklammerte Mark Kellys Hand, in ihrem Gesicht spiegelte sich gespannte Erwartung.
    »Als wir an ihrem Bett standen … hat Gabby zum ersten Mal die Augen geöffnet.« Michelle schloss kurz ihre Augen und begleitete pantomimisch die Rede ihres Mannes, erlebte die Erleichterung, der er mit Worten Ausdruck verlieh. Das machte sie öfter, sie agierte seine Worte aus, als könne ihre Mimik seiner Botschaft Leben

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