Die Obamas
Präsident seit George Washington bewohnt hat. Sie wollten sich in den Räumlichkeiten umsehen, in denen die neue First Family von nun an leben würde. Bis auf einen flüchtigen Blick, den sie bei dem kurzen Besuch bei den Bushs hatten riskieren können, kannten nicht einmal die Obamas selbst die Präsidentenresidenz.
Die Umzugswagen der Bushs waren am Morgen abgefahren, und die Wohnung wirkte verwaist: Räume mit hohen Decken und gewienerten Fußböden, die die Zeitlosigkeit eines Museums und die Sterilität einer luxuriösen Hotellobby ausstrahlten. Da die Obamas noch nicht eingetroffen waren, konnte jeder mit einem Ausweis des Weißen Hauses die Zimmer betreten.
Laura Bushs Mitarbeiter hatten bereits gemunkelt, dass die Obamas wohl einen großen Aufwand würden betreiben müssen, um die Wohnung im Weißen Haus nach ihrem Geschmack umzugestalten. Als George und Laura Bush in die Pennsylvania Avenue 1600 einzogen, war ihnen der Amtssitz aus den Amtszeiten von Bush senior als Vizepräsident und Präsident vertraut gewesen. Hier hatten sie Jahr für Jahr den 4. Juli gefeiert, und sie kannten das Personal. Fast jeder Präsident hatte vor seinem Einzug in das Weiße Haus bereits in einem Amtssitz gewohnt, entweder als Gouverneur oder als Vizepräsident. Obama jedoch war erst vier Jahre zuvor mit seiner Familie aus der Wohnung ausgezogen, die er und Michelle kurz nach ihrer Hochzeit gekauft hatten: eine enge Eigentumswohnung mit tropfenden Wasserhähnen und einem düsteren Schlafzimmer mit einem winzigen Schrank für Michelle. Erst nach Obamas Wahl zum Senator im Jahr 2004 und einem lukrativen Buchvertrag, der ihnen einigen Wohlstand beschert hatte, zog die Familie in ein Haus, das eher Michelles Träumen entsprach, eine historische Backsteinvilla im Wert von 1 , 65 Millionen Dollar.
Die ersten beiden Wohnsitze der Obamas waren gleichsam symbolhaft gewesen für ihren kometenhaften Aufstieg, aber das Weiße Haus war ein Märchenschloss, mit nichts vergleichbar. Es war ein Herrscherhaus mit hundertzweiunddreißig Räumen auf sechs Etagen, mit fünfunddreißig Bädern, vierhundertzwölf Türen und drei Aufzügen für einen Mann, der nie ein Herrscher gewesen war, und eine Art Festung für eine First Lady, die immer stolz darauf gewesen war, dass sie nach ihrem Studium an den Eliteuniversitäten Princeton, Harvard und ihrer Arbeit bei Sidley Austin in die arme South Side von Chicago zurückgekehrt war. Zudem unterstrich das mit Marmor und Kronleuchtern überladene Weiße Haus mit seiner an Disneyland erinnernden Perfektion den Widerspruch zwischen dem Prunk des neuen Lebens der Obamas und der wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit im Rest des Landes. Das Haus war zugleich Nationalmuseum, Sitz des Präsidenten und somit des Oberbefehlshabers der Streitkräfte und das Zuhause der First Family, wobei die unterschiedlichen Funktionen nicht selten miteinander kollidieren. Ebenso wie beim Amtssitz war auch beim Amt des Präsidenten nicht immer klar, wo das berufliche Leben aufhörte und das private begann, ob das Leben der Obamas künftig ihnen selbst oder der Nation gehören würde.
In den Stunden vor dem Einzug der Obamas wurde die Wohnung noch einmal vom Boden bis zur Decke gründlich gereinigt, denn Malia litt an Allergien, und ihre Eltern wollten nicht, dass irgendwelche Haare von den Haustieren der Bushs sie zum Niesen brachten. Während Michael Smith, der Chefdekorateur, die Möbel hin und her rückte, packte das Personal die Umzugskartons aus, bezog die Betten und sorgte für Seife in den Bädern. Entsprechend der Tradition sollten der neue Präsident und die First Lady am späten Nachmittag eintreffen und alles an Ort und Stelle vorfinden.
In Telefonaten mit den potenziellen Innenausstattern für die Umgestaltung der Residenz hatten die Obamas mit Nachdruck betont, dass die repräsentativen Räume mit den hohen Decken den Charakter eines gemütlichen Zuhauses erhalten sollten. Als Hintergrund für ihre afrikanische Kunstsammlung wünschten sie jagdgrüne Wände, wie sie sie bereits in ihrem Haus in Chicago gehabt hatten. Das Wichtigste sei die Gestaltung der Kinderzimmer. Die Innenarchitekten würden sich etwas einfallen lassen müssen, wie sie Malias und Sashas Poster von Popidolen wie den Jonas Brothers in den hohen, stuckverzierten Zimmern zur Geltung bringen wollten.
Der Amtssitz des Präsidenten hat nun einmal kaum etwas gemein mit dem typischen Heim einer amerikanischen Familie, selbst einem luxuriösen.
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