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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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Er verfügt über keinen privaten Zugang, so dass die First Family nie unbemerkt kommen oder gehen kann. Um in die Wohnung im ersten Stock zu gelangen, müssen der Präsident und seine Familie den in Gold und Blau gehaltenen Diplomatic Reception Room auf der Rückseite des Weißen Hauses durchqueren. Von dort geht es in einen breiten Flur, in dem braungefärbte spanische Wände sie vor den Blicken des Personals und der Touristen schützen (das Personal erkennt meist am Scharren der vielen Füße von Beratern und den Personenschützern des Secret Service, wann sich der Präsident hinter den Trennwänden befindet), und weiter über einen privaten Treppenaufgang oder mit einem kleinen, innen mit Holz und Spiegeln versehenen Aufzug in den ersten Stock. Wenn sich die Türen öffnen, tut sich eine völlig andere Welt auf: die Stille der Präsidentenresidenz, in der höchstens eine Putzfrau mit dem Staubsauger hantiert. Anders ausgedrückt: Das Haus der Präsidentenfamilie ist gar kein Haus, sondern die berühmteste Chefetage der Welt, eine Schachtel in einer Schachtel.
    Einige der Zimmer wirken wie Räume in einem historischen Museum. Laura Bush hatte den Lincoln Bedroom in strikter Anlehnung an die 1860 er Jahre mit kunstvollen Holzschnitzereien und Stores aus goldfarbenem Brokat ausstatten lassen. Ein Kopfteil, einen Meter achtzig hoch, mit pupurrotem Samt drapiert und gekrönt von einem vergoldeten Baldachin, thronte über dem Bett. Der Queen’s Bedroom auf der anderen Seite des Flurs, benannt nach dem königlichen Gast, der über die Jahre dort untergebracht wurde, ist ebenfalls im Rokoko-Stil gehalten, mit rosafarbenen Wänden, rosa-grün gestreiften Stores und mit einem opulenten Rosenmuster auf Baldachin und Polstermöbeln. Die Wohnräume sind genauso imposant: die West Sitting Hall mit dem gewaltigen Tiffany-Fenster, durch das das Licht der Nachmittagssonne hereinfällt, und der Yellow Oval Room mit vergoldeten Schnitzereien, Möbeln im Louis- seize -Stil und Regalen, in denen dekoratives Porzellan ausgestellt ist.
    Die Residenz ist eine Wohnung für Bewohner mit einem ganzen Stab an Personal, mit einer kleinen Küche zum Anrichten von Mahlzeiten, die in der Hauptküche im Souterrain vorbereitet werden, einer Wäschekammer und einem Kosmetikzimmer, wo die First Lady sich frisieren und schminken lässt. Die Hausangestellten sind häufig in dem weitläufigen Gebäude verstreut. So konnte es beispielsweise am 11 . September 2001 geschehen, dass dort Stunden nach der offiziellen Evakuierung des Weißen Hauses immer noch völlig ahnungslose Butler auftauchten, die nichts von dem mitbekommen hatten, was passiert war, so Walter Scheib, der ehemalige Küchenchef. Die Residenz ist eine Welt für sich.
    Die obere Etage der Wohnung ist nicht ganz so prachtvoll, die Decken sind niedriger, es gibt einen Fitnessraum, ein Billardzimmer und weniger formell eingerichtete Räume. Einer von ihnen war Marian Robinson zugedacht. Ihr Zimmer sollte als erstes hergerichtet werden, denn die Obamas wussten, dass Michelles Mutter nur sehr widerstrebend aus ihrem kleinen Haus in Chicago auszog, in dem sie seit Jahrzehnten gewohnt hatte. Die Obamas wünschten sich, dass sie sich bei ihnen wie zu Hause fühlte.
    In einer Familie untypischer Bewohner des Weißen Hauses war die dreiundsiebzigjährige Marian Robinson sicherlich die untypischste von allen. Sie sprach nur höchst selten mit der Presse, und während des Wahlkampfs hatte sie ganz auf öffentliche Auftritte verzichtet. Ihr nicht immer einfaches, bescheidenes Leben stand in scharfem Kontrast zu der Pracht des Hauses, in dem sie fortan wohnen sollte. Marian Robinson, geborene Shields, Tochter eines Fabrikarbeiters und späteren Anstreichers, der auf Arbeitssuche aus dem Süden nach Chicago gekommen war, hatte Fraser Robinson in einem städtischen Schwimmbad kennengelernt, wo er während des Studiums als Bademeister jobbte. Nach der Hochzeit brach Fraser Robinson das Studium ab, weil er die Studiengebühren nicht mehr aufbringen konnte und davor zurückschreckte, sich Geld zu leihen – so sein Bruder Nomenee Robinson. Vier Jahre später wurde bei ihm Multiple Sklerose diagnostiziert. Zu Hause bestand er darauf, seinen Gästen eigenhändig die Drinks zuzubereiten, obwohl er bald nicht mehr ohne fremde Hilfe gehen konnte.
    Die Robinsons hielten die Krankheit ihres Vaters vor den Kindern geheim, bis sie Teenager waren. Fraser ging derweil weiter seiner Arbeit bei den städtischen

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