Die Obamas
und über Strumpfhosen (die sie nicht mochte). »Wir sind in ziemlich seichte Gefilde abgestiegen«, gab ein Berater zu, »eine viel traditionellere Frauenrolle.« Die Ära, in der die Obamas öffentlich über Politik debattierten, war vorüber; von jetzt an würden sie ihre Diskussionen hinter verschlossenen Türen führen.
Für Barack waren die letzten Wochen des Wahlkampfs im Herbst 2008 von der Erkenntnis geprägt, dass er tatsächlich gewinnen könnte, und dem damit verbundenen Gefühl, von einer Welt in die nächste zu gleiten. Seine betagte Großmutter, die letzte noch lebende Angehörige, die ihn aufgezogen hatte, starb auf Hawaii, und der Wahlkampf ließ ihm kaum Zeit für die Trauer. Die Wirtschaft schlitterte aus der Krise in die Lähmung, und Obama stürzte sich auf das Problem, indem er Bushs unpopuläre Notmaßnahmen, Finanzunternehmen zu retten, unterstützte und die Ursachen der US -Hypothekenkrise hinterfragte. Er wolle möglichst schnell möglichst viel lernen, sagte er. Kein Wunder: Er hatte sich auf die Kandidatur eingelassen, um ein Land zu führen, und musste sich nun darauf einstellen, ein wesentlich gebeutelteres Land zu übernehmen.
In den Tagen nach der Wahl war Barack Obama nicht in der Stimmung, Zweifel zu zeigen oder Meinungsverschiedenheiten auszutragen. Er musste rasch vorgehen und wollte, dass alle am selben Strang zogen. Seine erste wichtige Entscheidung war, Rahm Emanuel zu bitten, Chef seines Stabs und damit sein wichtigster Mitarbeiter zu werden. Emanuel verfügte über die Washington-Erfahrung, die Obama fehlte, und im Gegensatz zum gewählten Präsidenten war er ein Kämpfer, der sich nicht vor Belastungen, Beleidigungen und Pressionen fürchtete.
Emanuel war der lebende Beweis dafür, dass die Demokraten, die bisher als unfähige Weltverbesserer gegolten hatten, die das Thema nationale Sicherheit nicht ernst nähmen, durchaus hart sein und effektiv arbeiten konnten. (Emanuels Vater hatte vor der Gründung des Staates Israel in einer militanten Gruppe von Zionisten gekämpft, und die Vorstellung, dass Juden entgegen aller Vorurteile kämpfen und siegen konnten, unterstrich den Gedanken, dass Demokraten das ebenso gut konnten.) Er war ein Clinton-Anhänger, der seine Lektion in dessen Amtszeit gelernt hatte – so galt es, eine metaphorische Sprache und ideologische Scharmützel zu vermeiden – und der diese nicht nur als Kongressabgeordneter in Illinois umgesetzt hatte, sondern sie auch jetzt als Fraktionsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus beherzigte. Er war rastlos, gerissen, ausfallend, aber stets kompromissbereit. Er konnte einen anschnauzen und einem gleichzeitig ein Brownie vom Teller stibitzen, und er konnte einen am Telefon minutenlang beschimpfen, um dann mit einem »Love you« einfach aufzulegen.
Beratern zufolge war Michelle Obama skeptisch, was Emanuel anging. Aber ihre Gespräche mit Barack hatten sich verändert. Ihr Mann musste sich mit Themen wie dem Palästinenserkonflikt herumschlagen und den Vorstand der US -Notenbank ernennen. Sie war Managerin in einem Krankenhaus gewesen – was verstand sie davon?
Sie stand erstmals vor dem klassischen Dilemma einer First Lady: War es besser, ihren Mann auf mögliche Fehler anzusprechen oder ihre Kritik für sich zu behalten? In einer Ehe sieht sich jeder Partner irgendwann vor diese Frage gestellt, aber im Fall von First Ladies, deren Männer ständig aus allen Richtungen unter Beschuss stehen, ist die Sache heikler – was die unerschütterliche Unterstützung seitens der Ehefrau immens wichtig werden lässt. Die Konsequenzen eines falschen Schritts wären ungleich schwerwiegender als im Alltagsleben oder in einer normalen Ehe.
Doch wer seine Vorbehalte gegenüber Emanuel offen äußerte, zahlte dafür einen Preis. Am Tag nach der Wahl, als die Nachricht über Obamas Personalentscheidung die Runde machte, schickte ihm sein alter Freund Christopher Edley, der Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Berkeley, eine kurze Nachricht. Während des Wahlkampfs hatte Obama Edleys kritische Bemerkungen nicht nur toleriert, sondern sie sogar eingefordert. Bereits im Sommer hatte Edley Obama vor Rahm Emanuel gewarnt und diesen einen »wertefreien Taktiker« genannt. Jetzt kritisierte er Emanuel zwar nicht direkt, aber er machte Vorschläge, wie das Weiße Haus angesichts dieser Personalie zu organisieren sei, wie man Emanuels Stärken nutzen könnte und seine Schwächen auszugleichen seien.
Kurz
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