Die Obamas
habe ich hier auf keinem Stuhl gesessen, und ich werde jetzt nicht damit anfangen.«
Anfangs verstummten die Obamas, sobald einer der Hausangestellten ihre Privatwohnung betrat. Konnten sie sich normal unterhalten, während die Angestellten um sie herum arbeiteten? Die Hausgeister sollten unsichtbar sein, aber weder die Obamas noch ihre Gäste konnten sich dazu überwinden, sie wie Luft zu behandeln. Viele waren Farbige mittleren Alters oder älter, Menschen, denen der Präsident und die First Lady zuvor nie begegnet waren, die ihnen jedoch spontan sympathisch waren.
»Die Angestellten im Weißen Haus erinnern mich an meine Eltern und Großeltern, und ich gehe genauso respektvoll mit ihnen um«, sagte Baracks Freund Marty Nesbitt einmal. »Meine Mutter hat auf Partys gekellnert, um mein Studium zu finanzieren«, fügte er hinzu. Die Obamas und er stünden in der Schuld der älteren Generation. »Unsere Eltern haben solche oder ähnliche Jobs übernommen, um uns das hier zu ermöglichen. Diese Leute sind unsere Helden, verstehen Sie?« Noch Marian Robinsons Vater, Purnell Shields, hatte als Handlanger in Chicago gearbeitet. Seine Urenkelin Michelle hatte jedoch zusammen mit den Kindern von Bankiers und leitenden Angestellten in Princeton studiert, während eine ihrer Tanten in der Stadt als Haushaltshilfe arbeitete. [17]
Und jetzt waren es die Obamas und ihre Gäste, deren Bettzeug gebügelt und deren Geschirr gespült wurde. »Ich würde meinen Teller gern selbst in die Küche bringen«, erklärte Nesbitt in den ersten Tagen nach Obamas Amtsantritt den Hausdienern. Aber es hatte keinen Zweck. Marian Robinson allerdings weigerte sich, ihre Wäsche vom Hauspersonal waschen zu lassen. Oprah Winfreys Anfrage für ein Interview lehnte sie ab, weil sie viel zu gern unerkannt in den Regalen bei Filene’s Basement auf der Connecticut Avenue stöberte. »Die halten mich für irgendeine Frau, die im Weißen Haus beschäftigt ist«, erklärte sie einmal einer Assistentin.
Der Präsident und die First Lady sprachen nie öffentlich über die Geschichte der Schwarzen im Weißen Haus, aber sie war gleichsam in die Mauern eingebrannt, die zum großen Teil von schwarzen Sklaven errichtet worden waren. Die Bauzeit über standen auf der anderen Seite des Lafayette Square Sklavenhütten, und mehrere Präsidenten brachten eigene Sklaven mit ins Weiße Haus. Selbst der Name des Gebäudes ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Als Theodore Roosevelt im Jahr 1901 den schwarzen Sozialreformer Booker T. Washington zu einem Dinner einlud, war der öffentliche Aufschrei so gewaltig, dass Roosevelt das Gebäude offiziell von »The Executive Mansion« in »The White House« umbenannte. Bis zu Kennedys Präsidentschaft hat es dort noch nicht einmal schwarze Personenschützer gegeben. [18] Noch im Jahr 2009 stammten nur fünf der etwa vierhundertfünfzig Exponate der Kunstsammlung des Weißen Hauses von afroamerikanischen Künstlern, und unter den zahlreichen Büsten und Porträts finden sich nur wenige nicht weiße Gesichter. [19] Die Vereinigten Staaten waren eine ethnisch und religiös buntgemischte Nation und wurden mehr als zwei Jahrhunderte lang von weißen Präsidenten regiert, mit Ausnahme eines Katholiken alles Protestanten.
An der Art, wie die Obamas mit dem Hauspersonal umgingen, herzlich und anfangs ein bisschen verlegen, ließ sich ablesen, dass sie hinter den geschlossenen Türen des North Portico am eigenen Leib erlebten, was es bedeutete, der erste schwarze Präsident und die erste schwarze First Lady zu sein. Das hatte nicht nur mit der historischen Dimension zu tun, sondern mit der simplen Erfahrung, sich auf jungfräulichem Terrain zu bewegen.
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Die Obamas reagierten auf ihre Art auf die ungewohnte neue Umgebung: Sie verließen das Weiße Haus. Am 13 . Februar, nur vierundzwanzig Tage nach der Amtseinführung, fuhren die Obamas nach Chicago in ihr altes Zuhause. Sie hatten so viel wie möglich aus ihrem früheren Leben mit nach Washington gebracht: Marian Robinson, dazu an den ersten Wochenenden die Whitakers und die Nesbitts sowie ihren persönlichen Fitnesstrainer und ihren Koch. Trotzdem wollten sie so oft wie möglich nach Hause fahren – alle vier bis sechs Wochen, so hatte der Präsident es sich vorgenommen, würden sie für ein Wochenende in ihr altes Leben zurückschlüpfen.
Der Ausflug fiel in eine turbulente Phase. Zwei Tage zuvor hatte die Regierung einen Banken-Sanierungsplan in Höhe von 2 , 5
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