Die Obamas
begann, nahm er seinen Platz ein: Ein großer Samtsessel in der ersten Reihe war mit einem Schild eigens für ihn reserviert. Nesbitt und Whitaker setzten sich neben ihn. Barack Obama hatte seinen Gastgeberpflichten Genüge getan und verfolgte nun das Geschehen auf der Leinwand. »Er saß ganz vorn und sah sich konzentriert das Spiel an«, erzählte Mike Doyle, ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Pennsylvania. »Er ist nicht der Typ, der eine Super-Bowl-Party gibt und dann die ganze Zeit im Gespräch mit den Gästen verbringt und seine politischen Botschaften verkündet, kurz: arbeitet«, meinte ein Mitarbeiter. Barack Obama war eben nicht der klassische Politiker und Sozialmensch vom Schlag eines Lyndon B. Johnson oder des amtierenden Vizepräsidenten Joe Biden, die im Kontakt mit potenziellen Wählern aufgingen. Bei manchen Gelegenheiten gab ihm seine Frau sogar Hinweise wie: Setz dich dazu, vergiss nicht, dich zu verabschieden …
Obamas Prinzipientreue macht vor dem Sportplatz nicht halt. Er versteht sich als echter Sportfan, der seinen Teams über lange Jahre die Treue hält; für Politiker, die eine Mannschaft anfeuern, weil es gerade opportun ist, oder die Neutralität vortäuschen, aus Angst, die Fans des gegnerischen Clubs zu kränken, hat er nur Verachtung übrig. Beim Football ist er natürlich Anhänger der Chicago Bears, aber er behält noch ein anderes Team im Auge: Da Hawaii, wo er aufgewachsen ist, keine Football-Lizenz hat, ist er Fan der Steelers, deren Siegesserie Anfang der 1970 er Jahre der Stadt, die sehr unter dem Zusammenbruch der Stahlindustrie litt, neuen Auftrieb gegeben hatte. Die enge Beziehung festigte sich weiter, als Dan Rooney, Besitzer des Teams und eigentlich eingefleischter Republikaner, Obama im April 2008 in der schwierigen Zeit der Vorwahlen in Pennsylvania unterstützte. Auf einer Wahlkampftour entdeckte Obama in der Menge einmal Franco Harris, einen Spielerstar aus den früheren Zeiten. Begeistert rief er ihn zu sich und arbeitete später im Wahlkampf mit ihm zusammen, wie Bob Casey, ein Senator aus Pennsylvania, zu berichten weiß.
Bei der Football-Party im Weißen Haus verfolgten am Ende nur zwei der anwesenden Männer leidenschaftlich das Spiel: der geladene Mike Doyle, ein großer Steelers-Fan, und der Präsident selbst, der das Team nicht weniger lautstark anfeuerte. Die Zurückhaltung mancher Gäste ließ sich vielleicht mit ihrer Scheu angesichts der ungewohnten Umgebung erklären. Als dann kurz vor der Halbzeit ein Linebacker für die Steelers über 100 Yards zu einem Touchdown sprintete, sprang der Präsident auf. »Was sagst du dazu, Doyle?«, rief er. [20] Als ein anderer Steelers-Spieler punktete, fing ein Fotograf des Weißen Hauses die Szene im Kinosaal ein: der Präsident, wie er jubelnd die Arme hochreißt. Alle anderen behielten die Arme unten.
Nachdem die Steelers gewonnen hatten und die Gäste gegangen waren, fragte sich nicht nur einer der Organisatoren, ob eine Party in strikt privatem Rahmen nicht besser gewesen wäre. Barack Obama brachte nicht allzu viel Geduld für offizielle Einladungen auf, doch nun würde man auch in den folgenden Jahren eine ähnliche Super-Bowl-Party erwarten, denn sobald ein eigentlich privates Ereignis im Weißen Haus erst einmal einen offiziellen Rahmen erhalten hat, bleibt es dabei.
***
Selbst in den krisengeschüttelten ersten Monaten im Amt bereitete Barack Obama schlicht und ergreifend die Tatsache Genugtuung, dass er Präsident der Vereinigten Staaten war.
Eines Tages verließ er nach einer Besprechung das Büro von Rahm Emanuel und begann einen Stapel Zeitschriften auf dem Schreibtisch einer Assistentin des Stabschefs durchzublättern. »Wem gehören die?«, fragte er die junge Frau. Die bekämen sie unaufgefordert zugeschickt, an die Adresse des Stabschefs, antwortete sie. Und nach kurzer Überlegung fügte sie hinzu: »Aber im Weißen Haus gehört ja eigentlich alles Ihnen … Genau genommen gehören sie also Ihnen.« Der Präsident warf ihr einen erfreuten Blick zu.
Am nächsten Tag kam er wieder an ihrem Schreibtisch vorbei. »
Wem
gehören die Zeitschriften?«, fragte er. Diesmal hatte sie die richtige Antwort parat. »Die gehören
Ihnen,
Mr. President.« Obama grinste und ging weiter.
Er genoss die Privilegien seines Amtes, zum Beispiel wenn er in seinem neuen Hubschrauber Marine One über das Washington Monument hinwegflog oder wenn er alte Freunde wie Julius Genachowski im Oval Office als
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