Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
Vom Netzwerk:
Realitätsverleugnung«, wie ein an der Ausarbeitung des Etatentwurfs beteiligter Beamter es später formulierte. Trotz wachsender Defizite, die es extrem schwierig machen würden, neue staatliche Programme zu rechtfertigen, nahm Obama alles in den Etat auf, was er in seinem ersten Jahr erreichen wollte, darunter auch umfangreiche Gesetzesvorlagen in den Bereichen Gesundheitswesen und Energie. Die Wirtschaftskrise, so argumentierte er, mache diese Maßnahmen eher
noch
notwendiger: Sie sei ja gerade dadurch entstanden, dass man seit langem schwelende Probleme nicht in Angriff genommen habe. Die Stabilität des Landes werde letztlich von einer bezahlbaren Gesundheitsversorgung, einer Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und der Förderung erneuerbarer Energien sowie einem starken Bildungssystem abhängen. Zusätzlich zum Umbau des Gesundheitswesens bis zum Memorial Day am letzten Montag im Mai und einem kurz darauf erfolgenden Kurswechsel in der Energiepolitik stand eine Bildungsreform auf seiner Agenda, dazu eine Reform des Einwanderungsrechts und Maßnahmen für eine verbesserte Regulierung der Finanzmärkte. Und das war nur die To-do-Liste für das eigene Land; die Außenpolitik, von den Wirtschaftsbeziehungen mit China bis hin zum Nahostkonflikt, stand auf einem ganz anderen Blatt. Fast jeder sagte dem Präsidenten, seine Pläne seien zu ehrgeizig, so auch sein Vizepräsident und sein Stabschef, die nichts davon hielten, die Gesundheitsinitiative schon jetzt zu starten. Doch Obama tat ihre Bedenken ab. »Ich wünschte, ich könnte mir den Luxus leisten, mich nur mit einer leichten Rezession oder nur mit dem Gesundheitswesen oder nur mit dem Energieproblem oder nur mit dem Irak oder nur mit Afghanistan zu befassen«, sagte er Reportern der
New York Times
im März. »Wir müssen den Augenblick nutzen und einige große Probleme ein für alle Mal lösen, um die nachfolgende Generation nicht mit noch größeren Problemen zu belasten.«
    Eine Bewegung erfasste das ganze Land, die dem Präsidenten klarzumachen suchte, dass seine Pläne zu ambitioniert seien und die Staatsausgaben aus dem Ruder liefen. Als die Regierung Ende Februar einen Plan zur Refinanzierung von Hypotheken auf Wohnimmobilien vorlegte, erklärte ein ehemaliger Broker namens Rick Santelli im Fernsehen, Obamas Pläne belohnten Fehlverhalten und subventionierten verantwortungslose Eigenheimbesitzer. »Das ist Amerika! Wer möchte schon die Hypothek seines Nachbarn [auf ein Haus] mit zwei Badezimmern finanzieren, [wenn die Familie] ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen kann?«, fragte er und schlug eine Tea Party in Chicago vor, ein modernes Gegenstück zum revolutionären Widerstand gegen ungerechte Steuerbelastungen unter den britischen Kolonialherren. Obamas Pressesprecher Robert Gibbs sagte in seinem täglichen Pressebriefing, Santelli habe den Plan des Präsidenten missverstanden, und er gab ihm auf ungewohnt persönliche Weise Kontra: »Ich würde ihm mit Freuden einen Kaffee spendieren – koffeinfrei.« Gibbs, ein ehemaliger Torhüter, stellte sich vor den Präsidenten, wo er nur konnte. Wenn er in Hochform war, sprach er mit Eloquenz, Kraft und Präzision, im Umgang mit der Presse aber konnte er auch sarkastisch und herablassend sein. An jenem Februartag schien ihm nicht klar gewesen zu sein, dass Santellis Fernsehauftritt viele Zuschauer aufgerüttelt hatte, weil er ihre Sorgen aufgriff. Im Internet wurde das Santelli-Video zur Sensation, und überall im Land plante man für die folgende Woche Kundgebungen. Es war die erste Protestwelle der Tea-Party-Bewegung, die Obamas Pläne schließlich ausbremsen sollte.
    Der Enttäuschung über Washington setzte Obama in jenen frühen Tagen ausgerechnet seinen Glauben an das Land und seine Bürger entgegen. Seit dem Präsidentschaftswahlkampf war er ausgesprochen optimistisch, was die Wähler anging: Alles in allem seien es ernsthafte Menschen, und auch wenn man ihn in Washington nicht immer verstand – im übrigen Land würde man ihn verstehen. »Wenn man den Menschen nichts vormacht, wenn man ihnen erklärt, das und das ist unsere Herausforderung, das und das hat uns an diesen Punkt gebracht, und so und so müssen wir darauf reagieren, dann wird sich das amerikanische Volk der Herausforderung stellen, davon bin ich fest überzeugt«, sagte er damals in einem Interview.
    Auf einer Pressekonferenz Ende Februar wiederholte er es noch einmal. »Ich bin ein unverbesserlicher Optimist«,

Weitere Kostenlose Bücher