Die Obamas
positive Diskriminierung befürwortete, hatte er durchaus Verständnis für die Einwände der Konservativen. Als Senator von Illinois hatte er manchen Republikanern nähergestanden als seinen Kollegen aus den Reihen der Demokraten. Und während des Präsidentschaftswahlkampfs hatte er erklärt, Hillary Clinton sei zu parteiisch, um ein zerrissenes Land einen zu können; in der Folge hatten einige prominente Republikaner für ihn gestimmt.
Diesmal sollte ihm das nicht gelingen. Das Konjunkturpaket passierte das Repräsentantenhaus ohne eine einzige und den Senat mit nur drei republikanischen Stimmen. Ein besorgniserregendes Signal für Obamas Versprechen überparteilicher Zusammenarbeit.
Chefstratege der Republikaner war Mitch McConnell, der Führer der Senatsmehrheit, ein Mann aus Kentucky mit großen ruhigen Augen – ein Gegensatz zum Präsidenten, wie ein Romanautor es nicht besser hätte erfinden können. Obamas politische Karriere kann man als ein einziges Streben nach Anerkennung verstehen; McConnell dagegen genießt es offensichtlich, geschmäht zu werden, und schmückt die Wände seines Senatsbüros mit wenig schmeichelhaften Karikaturen seiner Person. Obama ist feinsinnig und intellektuell, McConnell ein gewiefter, zäher Taktierer, der auf die erbarmungslose Wiederholung angsteinflößender Statements zum steigenden Staatsdefizit, zu Rettungspaketen und Terroranschlägen setzt. Mit Blick auf die demokratische Mehrheit im Kongress und im Weißen Haus und seine eigene hilflos wirkende Partei, sagte McConnell seinen Parteigenossen damals, die Republikaner würden nur dann weiterhin eine wichtige Rolle spielen, wenn sie geschlossen gegen Obamas Programm stimmten. Vereint konnten sie ihm das angestrebte Etikett der Überparteilichkeit verweigern und erreichen, dass sein Programm als einseitig, ja, als allzu extrem wahrgenommen wurde. [21]
Die wirksamsten politischen Attacken sind oft psychologischer Natur, denn sie zielen nicht nur darauf ab, die Öffentlichkeit zu überzeugen, sondern bringen den Gegner aus der Fassung, weil sie ihm nehmen, worauf er besonders stolz ist. Im Fall des Senators und hochdekorierten Vietnam-Veteranen John Kerry etwa äußerten seine politischen Gegner während der Präsidentschaftskandidatur 2004 Zweifel an seinen militärischen Verdiensten. Nun wiederum griff McConnell geschickterweise Obamas Selbstbild an, als habe er sich all die Jahre in der Wohnung der Obamas aufgehalten und sei dabei gewesen, wenn Barack Obama politische Zweifel äußerte oder von seinem Wunsch sprach, die besten Ideen zu sammeln, unabhängig davon, aus welchem parteipolitischen Lager sie kamen. Ohne republikanische Stimmen konnte er sein zentrales Wahlversprechen nicht einlösen und erschien als das, was er nie hatte sein wollen: ein typischer Demokrat.
Obama reagierte enttäuscht und ungläubig auf die Abstimmung über das Konjunkturpaket. »Er konnte es einfach nicht glauben«, so ein früherer Berater. »Er war fassungslos, völlig fassungslos.«
Angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage und des gewaltigen Programms, das er sich vorgenommen hatte, wurde Obamas Geduld mit der Politik auf eine harte Probe gestellt. Im privaten Kreis beklagte er sich darüber, dass selbst für die Öffentlichkeit wichtige Vorhaben durch leere Washingtoner Phrasen verwässert wurden, wie er es formulierte. Obama und sein Team mussten im Februar den Bundeshaushalt vorlegen; ihn aufzustellen umfasste für Obama »alles, was an Washington unerfreulich war«, so Peter Orszag, der frühere Chef der Etatabteilung im Weißen Haus. Die dafür nötigen Prognosen konnten nicht Jahre im Voraus getroffen werden, und der Etat des Präsidenten wurde ohnehin nie in seiner ursprünglichen Form verabschiedet; der Kongress nahm ihn als Empfehlung und verabschiedete dann seinen eigenen Etat. Das unendlich mühevoll erarbeitete Konzept für den Bundeshaushalt war also im Grunde nichts anderes als eine Zielscheibe für Angriffe, das Ganze eher ein Ritual als ernsthafte politische Arbeit. Der Präsident wollte nicht mehr als unbedingt nötig daran mitwirken. »Das reinste Kabuki«, sagte er entnervt. »Wir werden hier keinen heiligen Krieg um Belanglosigkeiten führen«, beschied er seinen Stab. Welche Ironie: Kurz darauf sollten Diskussionen um den von ihm eingereichten Haushalt zu vernichtender Kritik an seiner Präsidentschaft führen.
Das Ergebnis war jedenfalls »eine unglückliche Mischung aus Idealismus und
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