Die Obamas
Federal Communications Commissioner vereidigte. Doch die Freude über seinen Erfolg reichte viel tiefer. Im Verlauf seiner Karriere hatte ihn die Begrenztheit dessen, was er erreichen konnte, immer wieder frustriert: Er hatte sich als »Sozialarbeiter« engagiert, er hatte Jura studiert, er war in den Senat von Illinois und schließlich in den US -Senat gewählt worden, wo er am Ende kein einziges wichtiges eigenes Gesetz einbringen konnte. All das ging ihm zu langsam, es erschien ihm zu ineffektiv, und so setzte er alles daran, die Leiter immer weiter hinaufzuklettern. Und jetzt bekleidete er das höchste Amt im Staat. Nun wollte er endlich weitreichende Gesetze durchbringen – eine wichtige Voraussetzung dafür, einige der Probleme angehen zu können, die das Land seit Jahren belasteten. Davon erhoffte er sich nicht zuletzt mehr Stabilität. Zwar musste er zuerst die Wirtschafts- und Finanzkrise bewältigen, aber dann würde er sich seinen eigentlichen Anliegen widmen können, von der Bekämpfung des Klimawandels bis hin zur Reform des Gesundheitswesens, dessen exorbitante Kosten das Land auf lange Sicht finanziell ruinieren konnten. »Wenn es der Präsident der Vereinigten Staaten nicht schafft, dann ist es wohl überhaupt nicht zu schaffen«, brachte Whitaker es einmal auf den Punkt.
Im Rückblick waren dies wichtige Monate für Obama. Nachdem er mit solch offensichtlicher Leichtigkeit das Präsidentenamt erobert hatte, erlaubte er sich – bei aller Unerfahrenheit – selbst angesichts der drohenden Destabilisierung des Finanzsystems nicht, Nervosität oder Schwäche zu zeigen. Sogar im privaten Umfeld und bei Sitzungen mit Mitarbeitern und Beratern blieb er stets zuversichtlich. Er profitierte von dem, was er im Wahlkampf gelernt hatte, sagte ein Mitarbeiter später, er ignorierte die Neinsager und ließ sich nicht von seinem Kurs abbringen. Später sollte sich jedoch herausstellen, dass er sich in diesen ersten Monaten seiner Amtszeit einiges eingehandelt hatte, was ihm noch zu schaffen machen sollte, durch Fehler im Management, die Isolation im Amt und die von Anfang an schlechte Beziehung zu den Republikanern. War Obama ignorant – oder einfach nur zu neu im Amt, um es zu sehen? Oder war er zu dickköpfig, sich die Probleme einzugestehen?
Obamas erste Aufgabe war ein massives staatliches Konjunkturprogramm zur Ankurbelung der Wirtschaft, und voller Erwartung und Hoffnung sammelte er Vorschläge dazu. Er wünschte sich ein spektakuläres, innovatives Kernstück des Programms, so zwei frühere Berater: ein bahnbrechendes Projekt, das bewies, dass die Amerikaner noch immer in der Lage waren, ehrgeizige Infrastrukturvorhaben zu realisieren. Seine Lieblingsidee war ein hochentwickeltes, intelligentes Leitungsnetz für den Transport neuer Energien über große Entfernungen – von Windparks in Dakota zu den Menschen in Chicago beispielsweise. Rechtlich gesehen war das Projekt allerdings ein Alptraum: Der Staat hatte wenig Zugriff auf das bestehende Stromnetz, und um ein solches Projekt zu realisieren, würde man mit jeder Kommunalverwaltung entlang der vorgesehenen Stromleitungen einzeln verhandeln müssen.
»Ich bin der Präsident. Da werde ich das doch wohl machen können?«, wandte er sich an seine Berater.
Um ehrlich zu sein, nein, lautete die Antwort. Und die Lieblingsidee wurde verworfen.
Der Präsident glaubte, die Unterstützung zumindest eines Teils der Republikaner für das Konjunkturpaket gewinnen zu können. In Krisenzeiten hatten die beiden Parteien in der Vergangenheit immer wieder zusammengefunden, und Wirtschaftsexperten jeder Couleur hielten das auch für notwendig. Ein 1 , 2 Billionen schweres Konjunkturpaket, wie es einige Berater forderten, lehnte Obama zugunsten eines 800 -Milliarden-Pakets ab, das er für politisch akzeptabler hielt. Ein Kompromiss noch vor Beginn der Verhandlungen. Damit, so sagten ihm seine Ökonomen, würde man die Arbeitslosenquote – zu dem Zeitpunkt 7 , 6 Prozent – unter acht Prozent halten können.
Es war Obamas Markenzeichen, dass er, der Demokrat, mit Republikanern zusammenarbeiten konnte. Es war Teil seiner politischen Identität und entsprach seinem konzilianten Wesen und seinem Werdegang: zum Vermittler, zum Mediator zwischen unterschiedlichsten Gruppen. Er war Chefredakteur der Fachzeitschrift
Harvard Law Review
geworden, weil er im Vorfeld klargemacht hatte, dass er kein sturer Liberaler war – trotz seiner Hautfarbe, und obwohl er
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