Die Obamas
sagte er den Reportern. »Ich glaube, mit der Zeit werden die Menschen auf die Stimme der Vernunft hören.«
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Die dramatischen ersten Monate erzeugten anfangs ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in Obamas Team. Man war sich bewusst, in einer außergewöhnlichen Zeit für einen außergewöhnlichen Präsidenten zu arbeiten. »Wir lagen zusammen im Schützengraben«, erinnert sich Peter Orszag, der frühere Chef der Etatabteilung, an eine Zeit, in der Entscheidungen zur Bankenrettung und zur Änderung der Hypothekenkonditionen gefällt werden mussten. Wenn die First Lady in den Fluren des Weißen Hauses oder bei einer Veranstaltung Beratern der Etatabteilung begegnete, klopfte sie ihnen aufmunternd auf die Schulter: Gute Arbeit, danke, dass Sie sich so für ihn einsetzen.
Im Grunde hatte der Präsident noch nie ein größeres Projekt betrieben als seinen Präsidentschaftswahlkampf (den in Wirklichkeit sein Wahlkampfmanager David Plouffe geführt hatte). Er war es gewohnt, sein eigener Herr zu sein, misstraute herkömmlichen Organisationsstrukturen, und er bevorzugte es, alles direkt unter Kontrolle zu haben. Und so hatte er auch sein Team zusammengestellt: Es sollte seinen Mangel an Erfahrung in Washington kompensieren und ihn zugleich vor Washington schützen.
Er füllte das Weiße Haus mit Experten, regelrechten Schwergewichten, die dort stark waren, wo er schwach war: Joe Biden, ein erfahrener Handelspolitiker mit besten Beziehungen zum Kapitol und jahrelanger außenpolitischer Erfahrung, und Robert Gates, der bereits unter George W. Bush Verteidigungsminister gewesen war. Er gewann nicht nur seine Konkurrentin Hillary Clinton für das Außenministerium, er stellte ihr auch Sonderbeauftragte für den Nahen Osten, für Pakistan, Afghanistan und den Iran zur Seite. Und zusätzlich zu dem breiten Spektrum im Kabinett nahm er für einzelne Bereiche auch hochrangige Spezialisten in seinen Stab auf, so etwa Carol Browner für die Energiepolitik. Einige seiner Kandidaten vertraten widerstreitende Standpunkte: Finanzminister Timothy Geithner beispielsweise plädierte für eine Verringerung des Defizits, während Lawrence Summers, der Direktor des Economic Council, also Obamas Chef-Wirtschaftsberater, auf eine aggressive Ausgabenpolitik setzte. Doch Obama sagte, er wünsche sich lebhafte Debatten, bei Meinungsverschiedenheiten werde er schon vermitteln können und danach seine Entscheidungen treffen.
Freunde, die wesentlich zu seinem Aufstieg beigetragen hatten, machte er zu seinen engsten Beratern. David Axelrod wurde sein Sprecher, obwohl er keine Erfahrungen in der Regierungsarbeit, sondern allein im Wahlkampf hatte. Pete Rouse, Obamas Stabschef im US -Senat und einer der wenigen Washingtoner in Obamas Team, wurde Chef des Präsidentenstabs im Weißen Haus und damit sein wichtigster Mitarbeiter. Robert Gibbs, der bereits fünf Jahre lang für den Präsidenten gearbeitet hatte und nicht viel von Reportern zu halten schien, wurde Pressesprecher. Alle sollten Rahm Emanuel Bericht erstatten, der wiederum dem Präsidenten berichten sollte –, aber so stand es nur auf dem Papier. Obama hatte zu jedem seine eigene Beziehung, und die Gruppe kannte keine strengen Hierarchien.
Am ungewöhnlichsten und aufschlussreichsten war die Ernennung von Valerie Jarrett, vertraut mit den Obamas seit Michelles Arbeit im Stadtrat von Chicago, im Iran geboren. Jarrett hatte eine Liste von Leitsätzen, zum Beispiel: »Nimm dir die Zeit, zu jedermann freundlich zu sein« und »Effektives Führen hängt von der Fähigkeit ab, Menschen zu gewinnen und zu motivieren, nicht von Titel, Position oder Macht«.
Sie ist nur fünf Jahre älter als der Präsident, zeigte sich aber den Obamas gegenüber so aufmerksam und fürsorglich, dass man es fast mütterlich nennen konnte. (Wenn Michelle Obama von ihr sprach, verglich sie sie abwechselnd mit einer Mutter und einer Schwester.) Nachdem sie das Rathaus von Chicago verlassen hatte und ins Management eines Wohnungsbauunternehmens eingetreten war, hatte sie die Obamas in ihr berufliches und gesellschaftliches Netzwerk aufgenommen und dazu beigetragen, die Beziehungen zu den farbigen Oberschicht-Geldgebern zu pflegen, die sich für Obamas Einzug in den US -Senat und schließlich ins Weiße Haus eingesetzt hatten. Dieses Netzwerk war »die Familie«, wie Brian Mathis, ein afroamerikanischer Finanzier, es einmal nannte, und Jarrett war »die Mutter all unseres Tuns«. Während des
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