Die Obamas
Parteien.) Doch die Mitarbeiter des Präsidenten fürchteten es geradezu, ihn wegen eines Notfalls noch einmal ins Oval Office rufen zu müssen. Krisensituationen um halb neun oder neun waren dabei nicht ganz so schlimm wie solche um halb sieben oder sieben, weil er dann wenigstens noch mit seinen Töchtern zu Abend essen konnte.
Wenn Malia und Sasha schliefen, war das Präsidentenpaar endlich allein. In den zwei Jahren des Wahlkampfs hatten sie meist nur telefoniert, mitunter zwar mehrmals am Tag, aber wenn andere in der Nähe waren, und das war meistens der Fall, nur über unverfängliche Themen. Jetzt konnten sie am Ende des Tages alles unter vier Augen besprechen.
In der Öffentlichkeit äußerte sich die First Lady selten zur Arbeit ihres Mannes. Aber sie verfolgte alles ganz genau. Von Jarrett abgesehen, hatte sie nur wenige Informationsquellen im Weißen Haus; viele der Kabinettsmitglieder und Mitarbeiter ihres Mannes kannte sie kaum. Sie betrachtete das Geschehen eher als Außenstehende, sagten ihre Mitarbeiter, sie las die Zeitungsausschnitte, die im Weißen Haus verteilt wurden, und verfolgte die öffentlichen Auftritte ihres Mannes online oder im Fernsehen. (Aber natürlich verfügte sie über die beste Informationsquelle von allen: Einer langen Präsidententradition getreu, weihte ihr Mann sie manchmal in Top-Secret-Angelegenheiten ein; wenn die Angelegenheit später publik wurde, gestand sie Mitarbeitern mitunter, was ihr schon vorher bekannt gewesen war.) Es gab aber auch weite Bereiche der Arbeit ihres Mannes, über die sie kaum etwas wusste oder für die sie sich nicht weiter interessierte: die nukleare Abrüstung etwa oder die Handelsgespräche mit China.
Doch was im Inland vor sich ging, interessierte sie brennend, ebenso wie die internen Abläufe im Weißen Haus – wie ihr Mann sich schlug, ob alles reibungslos funktionierte, wie die Regierung in der Öffentlichkeit dastand. Die Entwicklung in diesen Bereichen hatte sie schon sehr früh verfolgt, und sie forderte ihren Mann in einer Weise heraus, wie es nur wenige wagten.
Sie wusste, dass die Wohnung ein Zufluchtsort für ihn war, und sie wollte ihm nach einem langen Tag nicht noch zusetzen, aber manche Dinge beunruhigten sie ernstlich, teilweise mehr als ihn, und dann konnte sie nicht einfach schweigen. Sie war eine vorausschauende Planerin, ein Mensch, der strategisch dachte, und sie hatte den Eindruck, dass die Arbeit ihres Mannes keiner hinreichend kohärenten Strategie folgte. Sein Programm war extrem ehrgeizig, aber manches erschien ihr noch zu improvisiert. »Sie achtet auf jedes Detail«, sagte ein Mitarbeiter. »Sie arbeitet selbst hart, und deswegen verlangt sie Perfektion. Das war schon während des Wahlkampfs so, und so ist es jetzt auch.« Auch die Pressearbeit erschien ihr problematisch und zu passiv, als würde jeweils nur auf das tagesaktuelle Geschehen reagiert, statt eine eigene fesselnde Geschichte über das Handeln des Präsidenten zu verbreiten.
Seine ganze politische Karriere hindurch hatte Michelle Obama ihrem verkopften, zurückhaltenden Mann bei der Kontaktpflege geholfen. Jetzt forderte sie ihn zum x-ten Mal auf, die Details beiseitezulassen und sich einfacher und direkter auszudrücken. »Weißt du was? Das interessiert die Leute nicht«, sagte sie einem Mitarbeiter zufolge, wenn er eine Initiative wortreich erläuterte. »Das ist es, was die Leute interessiert«, erklärte sie und fasste die grundlegende Fragestellung prägnant zusammen.
Sie sah die Anforderungen, die andere an ihren Mann stellten, ebenso wie die, die er selbst an sich stellte. Im Weißen Haus schien man die Lösung jedes Problems in einer Ansprache oder Stellungnahme des Präsidenten zu sehen. Wenn er von einer Reise zurückkam, schlief er ein paar Stunden und stürzte sich dann in einen neuen Arbeitstag, er verausgabte sich, und seine Frau verstand nicht, warum der Vizepräsident und das Kabinett ihm nicht mehr von der Last abnahmen. Im März schimmerte sein Haar bereits deutlicher silbern als bei der Amtseinführung. »Er altert sichtlich, und sie muss zusehen«, so drückte es ein ehemaliger Mitarbeiter aus. In Washington wurde Obama von vielen als Kontrollfreak empfunden, der es nicht mochte, wenn andere, selbst Kabinettsmitglieder, für ihn sprachen oder sogar Reden für ihn schrieben. Die Kontrolle abzugeben fiel ihm schwer – eine Schwäche, die er sich in der Vergangenheit auch selbst eingestanden hatte. Für die First Lady aber
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