Die Obamas
er sie getröstet.
Sie sei es leid, nach ihrer Kleidung beurteilt zu werden, äußerte sie gegenüber Mitarbeitern. Zwar achtete sie weiterhin auf elegante Kleidung, lehnte aber alle Anfragen und Einladungen ab, die irgendwie mit Mode zu tun hatten. Ihr Name sollte nicht mit einem bestimmten Modedesigner oder einer bestimmten Marke in Zusammenhang gebracht werden, schließlich waren sie und ihr Mann nach Washington gekommen, um das Land zu verändern. Sie musste eben andere Wege finden, wenn die Gesetzesvorhaben ihres Mannes blockiert wurden und sein Stab sie nicht in die Umsetzung der politischen Strategie mit einbezog.
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Den ganzen Herbst 2009 hatte Barack Obama alle Hände voll damit zu tun, seine Pläne zur Gesundheitsreform der Öffentlichkeit zu erklären und in hektischen Verhandlungen hinter den Kulissen voranzubringen. In den Teamsitzungen war er sachlich und guter Dinge: Von gegenseitigen Schuldzuweisungen wegen allem, was im Sommer schiefgegangen war, wollte er nichts hören. »Wir sind hier, um darüber zu diskutieren, wie wir Fortschritte erzielen können«, sagte er immer wieder. »Wie können wir dies verbessern, wie können wir das verändern, wie gehen wir vor?« Im September hielt er eine lange, gut aufgebaute Rede vor dem Kongress und trug ein Argument nach dem anderen für seine Gesundheitsreform vor wie ein Anwalt, der eine Jury überzeugen will. »Wir sind die einzige fortschrittliche Demokratie auf der Welt – die einzige wohlhabende Nation –, die zulässt, dass Millionen ihrer Bürger in solcher Not leben«, sagte er. Teilweise klang seine Rede, als wolle er sagen:
Warum kapiert ihr das nicht, ich verstehe einfach nicht, dass ich das überhaupt erwähnen muss.
Er versicherte, dass er keine Übernahme der Krankenversicherung durch die Regierung plane, keine Gremien zur Tötung kranker, alter Mitbürger einführen wolle, keine Abtreibungen mit Steuergeldern finanzieren und illegalen Einwanderern keine kostenlose Krankenversicherung zur Verfügung stellen wolle. (Als der republikanische Kongressabgeordnete Joe Wilson aus South Carolina daraufhin dazwischenrief: »Lügner!«, starrte Obama den Mann wegen der rüden Beleidigung und der Verletzung der Etikette nur wortlos an.) Michelle, ständig in Sorge, wie die Argumente ihres Mannes in der Öffentlichkeit ankamen, saß wie ein Schutzengel auf der Empore.
In dem fieberhaften Bemühen, möglichst viele Hindernisse für die Verabschiedung des Gesetzes aus dem Weg zu räumen, hatten Rahm Emanuel und Jim Messina, einer der stellvertretenden Stabschefs, hinter verschlossenen Türen einen Deal mit Lobbyisten der Pharmaindustrie ausgehandelt: Für die Unterstützung des Gesetzeswerks würde die Regierung im Gegenzug garantieren, dass die Reform die Unternehmen nicht mehr als 80 Milliarden Dollar kosten würde. [33] Viele Mitarbeiter des Weißen Hauses waren überrascht und entgeistert: Obama hatte sich im Wahlkampf als Reformer dargestellt, der Lobbyisten und die pharmazeutische Industrie in die Schranken weisen wollte, und jetzt schloss er einen Deal mit ihnen, der verdächtig nach einem Geschenk roch. David Axelrod und Rahm Emanuel, engste Freunde und Verbündete, gerieten sich in die Haare, wobei Emanuel den Standpunkt vertrat, man müsse alles unternehmen, um das Gesetz durchzupauken, während Axelrod protestierte, genau gegen so etwas seien sie im Wahlkampf angetreten. Obama, der nur so vor Kampfgeist sprühte, weil sein wichtigstes Reformprojekt zu kippen drohte, hielt seinen Stabschef Emanuel nicht von dem Kuhhandel ab. Das sei der Deal gewesen, meinte ein Mitarbeiter: Rahm würde alles versuchen, Obamas Projekt durchzubringen, und im Gegenzug müsse der Präsident damit leben, dass der Sache ein gewisser Hautgout anhafte.
Zur selben Zeit begann Michelle Obama auf eigene Faust, an einer Gesundheitsinitiative zu arbeiten, sie stellte sich eine Kampagne gegen Fettsucht bei Kindern vor. Anfangs machte sie nur kleine Schritte und beschränkte sich auf einfache, überschaubare Projekte: das Anlegen eines Gemüsegartens hinter dem Weißen Haus, die Einrichtung eines Bauernmarkts auf der Pennsylvania Avenue gegenüber des Weißen Hauses und Hula-Hoop-Unterricht für kleine Kinder auf dem Südrasen. (»Was tun die da draußen?«, wollte Emanuel bei einer frühmorgendlichen Besprechung von Sher wissen. Bis zum späten Nachmittag hatten sich die Fotos der hüftschwingenden First Lady überall verbreitet, ein weiterer Beweis dafür, dass sie
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