Die Obamas
sich durchaus der Macht der Bilder bewusst war.)
Aber das allein reichte ihr noch nicht. Sie wollte ihren Feldzug gegen die Fettsucht nicht als »eine typische First-Lady-Initiative« verstanden wissen, eine Kampagne, die zwar öffentlichkeitswirksam war, aber sonst nichts bewirkte. Sie wollte tatsächlich etwas verändern – die scheinbar unüberwindbare Krise des Gesundheitswesens auf ihre Weise in Angriff nehmen und zu einer Lösung des Problems beitragen. Aber trotz all der Studien, die ihre Mitarbeiter in Auftrag gegeben hatten, und trotz zahlreicher Vorschläge existierte noch kein konkretes Programm.
In der Zeit um Halloween rief Sher Stephanie Cutter an und bat sie, die Situation genauer unter die Lupe zu nehmen. In der Welt der Obamas war Cutter bekannt als erprobte Krisenmanagerin und Retterin in der Not: die blonde Absolventin des Smith College, die die brutalen Kämpfe um John Kerrys Image im Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2004 miterlebt und den beschädigten Ruf Michelle Obamas im Jahr 2008 repariert hatte. Sie war eine der wenigen Beraterinnen, die sich mit dem Ost- und dem Westflügel gleich gut verstand.
Es war ihr schnell klar, dass zwar zahlreiche Institutionen und Behörden existierten, die irgendwie mit Ernährung, Sport und Erziehung zu tun hatten, dass diese jedoch nicht an einem Strang zogen. »Das US -Bildungsministerium kann den Schülern, Lehrern, Sportlehrern und Eltern ins Gewissen reden, aber es ist nicht für die Cafeterias oder Mensen in den Schulen zuständig«, erläuterte Cutter an einem Beispiel. Die Cafeterias unterlagen der Aufsicht durch das Landwirtschaftsministerium – und so weiter und so fort. Es war ein wildes Durcheinander an Zuständigkeiten, von einer einheitlichen Zielsetzung konnte keine Rede sein. Gesundheitsbehörden und private Stiftungen kämpften seit Jahren für eine Lösung des Problems, jedoch mit mäßigem Erfolg: Einzelmaßnahmen, wie zum Beispiel verlängerte Pausenzeiten in den Schulen oder die Abschaffung von Getränkeautomaten, nützten nicht viel, weil die Ernährung und der Gesundheitszustand der Kinder von Dutzenden von Faktoren beeinflusst wurden. Experten vertraten die Ansicht, dass sich erst etwas ändern werde, wenn man
alle
Lebensumstände der Kinder einbezöge, angefangen beim Zuhause, den Spielgewohnheiten und der Schule bis hin zu Restaurants und Supermärkten. Dieser Krieg müsse an allen Fronten gleichzeitig geführt werden, und man brauche dafür einen mächtigen Fürsprecher, jemanden, der die Sache in der Öffentlichkeit verfechte und dafür einstehe.
Die First Lady entschloss sich mit Cutters Hilfe, zukünftig die existierenden Initiativen gegen Kinderfettsucht zusammenzuführen, aber auch neue Programme ins Leben zu rufen, wobei sie staatliche Initiativen auf Bundes-, Staats- und Gemeindeebene koordinieren, mit gemeinnützigen Organisationen, Küchenchefs und Kinderärzten zusammenarbeiten und die Unternehmen als Sponsoren gewinnen wollte, die die Lebensmittel für die Supermärkte produzierten oder Restaurantketten betrieben. Das Programm sollte unter dem griffigen Namen »Let’s Move« zusammengefasst werden.
Pragmatisch und diszipliniert, wie sie ist, erkannte die First Lady, dass ihre Kampagne eine Struktur und ein klares Ziel brauchte. Nachdem sie monatelang zur Untätigkeit verdammt gewesen war und nur – möglichst attraktiv – in Kameras gelächelt hatte, sehnte sie sich nach Glaubwürdigkeit und greifbaren Fortschritten. Die Frage war nur, wie ehrgeizig das Ziel sein sollte.
Sehr ehrgeizig, erklärte die First Lady ihrem Stab: Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, Kinderfettsucht innerhalb einer Generation zu überwinden. Schon Kinder, die im Jahr 2010 geboren würden, sollten ohne den Fluch der Fettsucht aufwachsen, der noch auf der Generation vor ihnen lastete. Einige Berater befürchteten, die Verwendung des Worts »Fettsucht« könne abschreckend wirken, und fragten sich, ob es klug sei, in schlechten Zeiten wie diesen den Kauf von Bio-Lebensmitteln zu propagieren. Aber die Sache schien politisch ungefährlich, denn 2028 , wenn die 2010 geborenen Kinder das Erwachsenenalter erreichten, wäre Michelle Obama vierundsechzig, fast so alt wie ihre Mutter jetzt, und ganz bestimmt nicht mehr im Weißen Haus. Schon im folgenden Januar sollte mit der Umsetzung des Programms begonnen werden.
Mit »Let’s Move« wollte Michelle Obama endlich die Rolle hinter sich lassen, die sie bisher im Weißen Haus übernommen
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