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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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grollend.
    „Messer“, sagte Bar-Woten. Barthel reichte ihm rasch unter dem Schutz ihrer Ponchos eine Klinge. Eine weitere drückte er in Kirils Hand. „Wenn wir gemeinsam keine Chance haben, rettet Eure eigene Haut und wertet es als schlechten Start. Aber geht auf eigene Faust weiter“, sagte der Ibisier. „Es ist Eure einzige Hoffnung, Büßer.“
    „Ist das ein zu hoher Preis für einen Ibisier?“ fragte der Händler voller Verachtung. „Für einen Schlächter?“
    „Für jeden Mann, der noch recht bei Trost ist“, antwortete Bar-Woten und machte zugleich einen langen Schritt auf ihn zu. „Vielleicht würdet Ihr den Preis mit ein wenig Überredung senken?“ Der Händler wich noch weiter zurück. Mit gleichsam Pfeile verschießenden Augen wandte er sich an die Menge auf dem Marktplatz und streckte ihr die Hände entgegen – greift an, jetzt! Aber sie taten nichts, sondern drängten nur langsam nach vorn.
    „Hopp!“ rief Bar-Woten. Barthel glitt vorwärts und stieß den Händler beiseite. Kiril folgte ihm auf den Fersen. Die Menge sprang wie ein Mann, und Bar-Woten schwang sein gekrümmtes Messer heimtückisch mal in diese, mal in jene Richtung, wodurch er sie zwang, sich wegzubiegen wie ein Schirm im Winde. Dann rannte er mit komisch wirkender Behendigkeit rückwärts, drehte sich im letzten Augenblick und schwang sich auf ein Pferd, das Barthel für ihn bereithielt. Kiril, nicht vertraut mit seiner Mähre, hatte Schwierigkeiten, das Bocken und Auskeilen des Tieres unter Kontrolle zu bringen, aber wenigstens hielt er den Mob zurück. Barthel langte nach den Zügeln des Mediwewaners und zog ihn hinterdrein, als Bar-Woten ihnen einen Pfad über den Markt hieb. Die Menge schrie ohne Unterlaß und schnappte nach Knöcheln, Steigbügeln, allem, was sie eben ergreifen konnte. Als Lohn für ihre Mühen wurden sie getreten und geknufft und von den rennenden Pferden beiseitegestoßen. Die drei sprengten vom Marktplatz und galoppierten eine Gasse hinauf, worauf sie kurz anhielten, um zu rekognostizieren.
    „Welche Richtung?“ fragte Kiril, außer Atem und rotgesichtig vor Furcht und Anstrengung.
    „Das Osttor zur Linken. Bauernland und eine Straße in die Wälder. Der beste Weg“, keuchte Bar-Woten. Er trieb sein Pferd vorwärts, und die anderen folgten ihm. Hinter ihnen quoll die Menge vom Marktplatz die Gasse hoch.
    Zwischen ihnen und dem Tor stießen sie auf keine feindseligen Haufen. Im dunstigen Morgenlicht, grell und eintönig grau, ritten sie mit erzwungenem Gleichmut die gepflasterten Straßen entlang. Die Pferde neigten die Köpfe und schäumten unter der Kandare, nicht vertraut mit ihren neuen Reitern und verwirrt angesichts des Abenteuers.
    Barthels Tier legte die Ohren an und versuchte mehrere Male, ihn zu beißen. Beim letzten Versuch, unmittelbar, bevor sie unter dem großen Steinbogen hindurchritten, beugte Barthel sich vor und nahm ein Ohr zwischen seine Zähne. Das Tier bockte und schlug aus, wobei es knapp eine alte Frau verfehlte, die in ihren schwarzen Kleidern vorbeiwackelte. Aber Barthel ließ nicht locker, und das Pferd beschloß, doch lieber ruhig zu sein.
    „Lebewohl, Madreghb“, sagt Bar-Woten, als sie das Tor passierten. Kiril schaute unfroh drein. Barthel ließ seinen Blick mit dunkeläugigem Gleichmut über das grüne Land vor ihnen schweifen.
    „Weiß der Bei, wohin er gehen möchte?“ fragte er.
    „Nach Norden. Wir überqueren die Grenze nach Mundus Lucifa, so bald wir eben können. Sulay hat sein Ende erreicht, und unseres wird kurz dahinter folgen, wenn wir nicht schnell sind.“
    „Eure Heerscharen haben eine Menge Sympathien geweckt“, sagte Kiril.
    „Haltet Euch nur auf Eurem Pferd und hütet Eure Zunge, wenn Ihr ein Vogelfreier seid. Ehre unter Dieben ist eine Tugend, die man selten antrifft – seid froh, daß ich nicht oft ein Dieb bin und nicht länger ein Ibisier.“
    „Und ich habe nicht länger Gott auf meiner Seite.“
    „Eure Fahrt ist eine edle, Büßer. Ihr seid ausgezogen, Euer Lieb zu retten. Wir reiten jetzt etwa eine Stunde in scharfem Tempo – mir nach!“
    Das Land außerhalb der verstreuten und zerbröckelnden Mauern Madreghbs war dank der Frühlingsregen frisch und fruchtbar. Mandelbäume blühten gelb in Hainen zu beiden Seiten des Weges, und Olivengärten kauerten graugrün in altmachenden Schatten. Die Straße war eine rötlich braune Wunde, unregelmäßig gepflastert mit Katzenköpfen und übersät mit Rinnen und Pfützen. Die Pferde

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